Mittelschwaebische Nachrichten
Überraschung aus dem Kosmos
Immer wieder sausen Asteroiden nah an der Erde vorbei. Ein Planetenforscher erklärt, warum die Brocken oft erst spät entdeckt werden und wie wahrscheinlich ein Einschlag ist
Herr Harris, vor einigen Tagen flog der Asteroid „2016 QA2“mit etwa 84 000 Kilometern Abstand an der Erde vorbei. Sind wir da nur knapp einer Katastrophe entgangen? Alan Harris: Nein, ich denke nicht. Aber der Fall zeigt, dass ein Asteroid jederzeit die Erde treffen könnte. Es passiert relativ oft, dass ein Objekt dieser Größe – ungefähr 30 Meter im Durchmesser – in diesem Abstand an der Erde vorbeikommt. Diesmal haben wir den Asteroiden nur wenige Stunden vorher gesehen.
Warum wurde er so spät entdeckt? Harris: Objekte dieser Art haben Umlaufbahnen, die der Umlaufbahn der Erde ähnlich sind. Man muss entlang der Erdumlaufbahn danach suchen, da sie nur ein paar Stunden nach Sonnenunter- oder vor Sonnenaufgang zu sehen sind. „2016 QA2“gehört zu der Klasse von Asteroiden, die die Erdbahn kreuzen. Über einen großen Teil ihrer Umlaufbahn steht die Sonne im Weg. Die Objekte sind meist bei Tageslicht am Himmel. Dann kann kein Teleskop so etwas entdecken.
Kommt es oft vor, dass Asteroiden so spät entdeckt werden? Harris: Ich nenne Ihnen ein Beispiel: 2012 hatten wir einen Asteroiden mit 40 Metern Durchmesser lokalisiert, der am 15. Februar 2013 in 28 000 Kilometern Entfernung an der Erde vorbeiflog. Den hatten wir also ein Jahr vorher schon entdeckt. Am selben Tag tauchte plötzlich aber auch die Feuerkugel über Tscheljabinsk in Russland auf, ein Objekt von 19 Metern Durchmesser. Dieser Asteroid ist in etwa 25 Kilometern Höhe explodiert. Durch die Druckwelle wurden tausende Gebäude beschädigt und 1500 Menschen verletzt. Den Brocken haben wir vorher überhaupt nicht gesehen. Als er noch weiter weg war, war er zu klein, um ihn zu sehen.
Ab welcher Distanz zur Erde muss mit Schäden gerechnet werden? Harris: Wenn ein solcher Brocken nur die Erdatmosphäre streift, dann ist es kein Problem. Anders wäre es, wenn er in sie eindringt und Richtung Erdboden stürzt. Ein Objekt mit weniger als 50 Metern Durchmesser würde in der Regel in der Luft explodieren. Dann hätte man solche Schäden wie in Tscheljabinsk oder, je nach Masse und Einsturzwinkel, sogar schlimmer. Was droht uns, wenn es tatsächlich zu einem Einschlag kommen sollte? Harris: Dann könnten ganze Städte zerstört werden. Wenn ein 100-Meter-Asteroid einschlagen würde, dann würde sich wohl ein Krater bilden, der einen Durchmesser von etwa ein bis zwei Kilometern hätte.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Einschlag? Harris: Bei 100-Meter-Objekten rechnet man mit einem Einschlag alle zehntausend Jahre. In jedem Jahrhundert haben wir eine Wahrscheinlichkeit von etwa einem Prozent. Das muss aber nicht heißen, dass gleich eine große Stadt getroffen wird. Es gibt sehr viele unbewohnte Gegenden und viele Ozeane. Bei einem Einschlag ins Meer müsste man aber mit einem Tsunami rechnen.
Wie kann man die Gefahr abwehren? Harris: Eine Methode, die heutzutage unter Experten viel diskutiert wird, ist der „kinetische Impaktor“. Da schießt man sozusagen eine Raumsonde in den Asteroiden hinein. Wenn man das richtig berechnet und genug Informationen über den Asteroiden hat, könnte man die Umlaufbahn so ändern, dass der Asteroid an der Erde vorbeifliegt.
Muss die Menschheit mehr an der Früherkennung arbeiten? Harris: Wir brauchen Teleskope, mit denen auch kleinere Objekte auffindbar sind, damit wir bessere Warnmöglichkeiten bekommen. Wir arbeiten daran. Bei größeren Brocken sind wir schon gut aufgestellt mit den Suchprogrammen, die es in den USA gibt.
Wir sind also für den Notfall gerüstet? Harris: Wir brauchen keine Angst haben vor einem großen Einschlag. Vor einem Objekt, das potenziell Millionen Menschen töten könnte, könnten wir wahrscheinlich zehn bis 50 Jahre vorher warnen. Im Augenblick kennen wir kein solches Objekt. Immer wieder aber, vielleicht ein paarmal in 100 Jahren, werden wir so eine Situation wie in Tscheljabinsk erleben. Interview: Jens Noll