Mittelschwaebische Nachrichten
Für den Hampelmann wird es ernst
Wenn es um Symbole geht, verstehen die Menschen keinen Spaß. Je älter und identitätsstiftender ein Symbol, umso unlustiger werden sie im Falle eines vorsätzlichen Missbrauchs. Während sie ein „Brüh’ im Glanze dieses Glückes“noch als Aussetzer einer Interpretin entschuldigen, von der sie sowieso nicht erwartet hatten, dass sie die Hymne fehlerfrei singen kann, kennen sie bei mutwilligen Anschlägen keine Gnade.
Warum das so ist? Weil die großen Symbole mit ebenso großen Emotionen verbunden sind. Die Menschen pflegen sie als Erinnerung in den Trophäenschränken ihres Innersten. Da ist eine Hymne kein Liedchen, eine Fahne kein Fähnchen und eine Medaillenbühne kein Treppchen, auch wenn Sportler und Öffentlichkeit sie selbst so nennen.
Christoph Harting hat es als Olympiasieger im Diskuswerfen auf dieses Treppchen geschafft. Allerdings ist er dann nicht, wie die Menschen sich das in ihrer Vorstellung von Olympiasiegern gewünscht hätten, ehrfürchtig erstarrt. Er hat auch keine Tränen vergossen, was die Zuschauer bei einem derart starken und großen Mann immer besonders bewegt.
Stattdessen ist Harting während der Hymne grinsend auf dem Treppchen herumgehampelt. Symbol-Pfleger würden sagen: Er hat es mit Füßen getreten. In jedem Fall hat dem 26-Jährigen im Augenblick seines größten Triumphes jener Ernst gefehlt, den die Öffentlichkeit für angemessen hält. Das haben ihm auch seine Teamkollegen und Trainer gesagt, die den Auftritt als peinlich und respektlos empfanden. Harting hat daraufhin Einsicht geäußert, womit die Geschichte erledigt sein sollte.
Ist sie nun aber nicht. Ein besorgter Symbol-Pfleger hat den Diskuswerfer angezeigt. Weil Harting zudem Polizist ist, wartet noch ein internes Verfahren auf den Hampelmann. Angesichts der Aufregung ist nicht auszuschließen, dass er sich bald auch vor dem Bundestag erklären muss.