Mittelschwaebische Nachrichten
Gegen den Strom
Immer noch halten sich viele Menschen beim Kauf von Elektrofahrzeugen zurück. Der Bundestagsabgeordnete Georg Nüsslein versucht das auf seine Art zu ändern und rührt die Werbetrommel für das spritlose Fahren
Landkreis Die Deutschen stromern nicht gerne herum: Die Nachfrage nach Elektromobilen hält sich weiterhin in sehr engen Grenzen. Bundesweit hat das Kraftfahrtbundesamt im Juli dieses Jahres gerade mal 785 Neuzulassungen von E-Mobilen registriert. Das ist nur ein winziger Bruchteil von den insgesamt 278 866 Fahrzeugen, die im selben Monat neu auf die Straße gebracht worden sind. Stromautos elektrisieren die Menschen hierzulande immer noch nicht. Daran hat auch die Förderpolitik der Bundesregierung noch nichts ändern können. Die spendiert zwar jedem Stromauto-Käufer 4000 Euro aus der Staatskasse, allein das hat noch lange keinen Boom entfacht. Weniger als 2000 Kfz-Besitzer haben bis Ende August einen Antrag auf die Förderprämie gestellt. Da könnte schon noch mehr gehen, findet der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein.
Er ist der für Umwelt- und Klimapolitik zuständige stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion und somit schon von Berufs wegen an dem Thema interessiert. Seit fünf Jahren rührt er aktiv die Werbetrommel für den stromgetriebenen Individualverkehr, wenn er auf dem Leipheimer Areal-Pro-Gelände „Elektromobilität zum Ausprobieren“anbietet. Regelmäßig kamen zu den Aktionstagen zwischen 200 und 250 Menschen auf das einstige Fliegerhorstgelände und setzten sich hinter das Steuer eines E-Autos. Am Samstag, 17. September, wird er wieder einen kleinen Fuhrpark samt Informationen rund um das Thema bereitstellen. Diesmal, so hofft er, könnten dank des Förderprogramms mehr Menschen kommen.
Mit immerhin einer Milliarde Euro will sich der Bund die Elektrifizierung des Straßenverkehrs kosten lassen. Ob diese Summe allerdings tatsächlich verbraucht wird? Danach sieht es derzeit noch nicht aus. Auch Nüßlein glaubt nicht so recht an den ganz großen Schub. Angesichts der vergleichsweise wenigen Förderanträge glaubt er nicht, dass bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge über deutsche Straßen rollt, wie das die Bundeskanzlerin einst angepeilt hat.
Das Problem sieht er nach wie vor überwiegend in der geringen Reichweite der Stromer, die sich je nach Modell zwischen 100 und 200 Kilo-
bewegt. Die amerikanischen Tesla-Mobile schaffen ein Mehrfaches, doch das lässt sich das US-Unternehmen auch entsprechend hoch bezahlen. Ohnehin ist der Preis die nächste Hürde. So müssen StromEnthusiasten gut 10000 Euro mehr hinblättern, wenn sie den E-Golf haben wollen anstelle eines 1.4 TSIModells, das sogar mehr PS bietet.
Nüßlein hat Verständnis dafür, wenn viele zögern, sich einen Steckdosentanker als Erstwagen zuzulegen, denn angesichts solcher Preise „kaufen sich die Leute halt lieber einen Diesel.“Dennoch meint er, dass bei den Zweitwagen „mehr gehen könnte“. Wer keine weiten Strecken fahren muss oder vor allem in der Stadt unterwegs ist, könne sich doch ein Elektroauto zulegen. Der Abge-
ordnete denkt auch an Pflegedienste oder Behördenflotten. Er selber besitzt kein Strommobil, obwohl er ja ein eigenes Kraftwerk betreibt. „Ich bin in den vergangenen zwei Jahren 75 000 Kilometer gefahren.“Das sei mit einem Stromer nicht möglich, denn er könne seine Tage eben nicht so planen wie der DurchschnittsArbeitnehmer, der stets zur gleichen Zeit die gleichen Stecken fährt – und für einen Zweitwagen hat Nüßlein keine Verwendung.
Seiner Ansicht nach liegt es auch an der deutschen Automobilindustrie, dass sich in diesem Bereich eher wenig getan hat: „Die muss man manchmal ein bisschen schieben“, findet er. Das Ganze erinnert ein wenig an die Einführung des Katalysators, den die deutsche Automometern
bilindustrie lange verteufelte, während er in den USA schon längst Standard war. Mit einer gesetzlichen Regelung und steuerlichen Anreizen ging’s. Wer Kat fahren wollte, stand damals vor dem Problem, eine Tankstelle mit bleifreiem Benzin finden zu müssen. Das hatte sich nach ein paar Jahren geregelt. E-Autofahrer finden bislang nur wenige Zapfsäulen, aus denen sie Energie tanken können.
Das Problem soll ebenfalls mit dem Förderprogramm der Bundesregierung teilweise abgeräumt werden: 300 Millionen Euro fließen in den Jahren 2017 bis 2020 in den flächendeckenden Ausbau von Ladeinfrastruktur. Wer ökologisch komplett auf der sicheren Seite sein will, der müsste sich eine Solaranlage auf
die Garage bauen, die Energie in einer Batterie zwischenspeichern und am Abend das Auto anstöpseln. Doch das kostet natürlich noch mehr Geld. Nüßlein hofft, dass die Preise sinken, sobald mehr Speichermodule und Fahrzeuge auf den Markt kommen. Er glaubt eher an ein anderes Modell: Hybridautos mit Elektro- und Verbrennungsmotoren werden sich seiner Ansicht nach leichter durchsetzen.
Der Aktionstag „Elektromobilität zum Ausprobieren“am Samstag, 17. September, findet auf der Westbahn des Areal Pro in Leipheim unweit der Firma Luible von 11 bis 16 Uhr statt. Navibesitzer geben als Adresse am besten „An der Rollbahn 1“ein. Die Zufahrt zum Gelände ist außerdem beschildert.