Mittelschwaebische Nachrichten
Asyl: Der lange Weg zur Arbeit
Wirtschaft Der scheidende Arbeitsagenturchef bezeichnet die Integration von Migranten in den Markt als mühsam – eine regionale Bestandsaufnahme nach einem Jahr „Wir schaffen das“
Donauwörth „Wir schaffen das.“An den Tag vor einem Jahr, als die Kanzlerin ihre umstrittenen Worte kundtat, kann sich Andreas Vaerst noch gut erinnern. Es war sein erster Arbeitstag bei der Donauwörther Arbeitsagentur – und als Chef der Behörde wusste er, dass mit dem Strom an Asylbewerbern, die damals auch in seinen Bezirk kamen, eine Menge Arbeit auf ihn warten würde. So war es dann auch. Sie ist wohl noch lange nicht beendet.
Aus der schwäbischen Perspektive wird der 59-jährige Westfale die Entwicklung in Sachen Integration der anerkannten Asylbewerber künftig nicht mehr beobachten können: Exakt ein Jahr nach dem Merkel-Satz ist es nun sein letzter Tag in der hiesigen Agentur, Vaerst wird fortan in der Regionaldirektion in Nürnberg tätig sein. Doch an das vergangene Jahr mit der großen Herausforderung der Asylfrage wird er noch lange denken.
Die Massenmigration hat sich auf den Markt des Agenturbezirks niedergeschlagen, zu dem neben dem Landkreis Donau-Ries auch die Kreise Dillingen und Günzburg gehören: Gut 1500 Asylanten sind aktuell in den Jobcentern der Agentur gemeldet. 556 Anerkannte sind seit Dezember letzten Jahres offiziell in Arbeit oder Ausbildung. Sehr viele Asylsuchende dürften nach einer Einschätzung Vaersts aber auch in Praktika untergekommen sein. Er spricht von den „ersten Schritten“, die man derzeit noch gehe.
Vaerst ist nun einer von jenen, die heute sagen könnten: „Dass es schwierig wird, habe ich von Anfang an gesagt.“Will er aber nicht. Der Agenturchef betonte in der Tat vor einem Jahr, man dürfe die Fehler der 1990er-Jahre nicht wiederholen. Bezogen auf ausländische Berufsausbildungen bedürfe es baldiger Neuregelungen. Ein syrischer Apotheker müsse bald wieder als Pharmazeut arbeiten können. Doch die Vergangenheit ist präsent. Diejenigen, die bereits arbeiten, tun dies meist in allerlei handwerklichen (Helfer-)Jobs, gleich, ob im Vorfeld ein Studium oder eine andere Ausbildung im Herkunftsland absolviert wurde. Jener Aspekt der beruflichen Vorkenntnisse gestaltet sich bisweilen als problematisch: Berufsanerkennungen seien langwierig, die Abschlüsse mitunter nur wenig vergleichbar. Oft müsse man über eine Art Kenntnisprüfung herausfinden, wo die Begabungen liegen, erklärt Vaerst. Sechs solcher Kurse mit je 60 Teilnehmern laufen im Agenturbezirk. Schon kurz nach dem Ausbruch der Flüchtlingskrise hatte Behördenchef Vaerst prognostiziert, dass es etwa sieben Jahre dauern könnte, um einen Sprachfremden, der hier nicht ausgebildet wurde, regulär „in Arbeit“zu brin- gen, wie die Fachleute es nennen. Davon weicht Vaerst auch heute nicht ab. Der Grund dafür sei allerdings ein pragmatisch klingender: Zwar wollten die meisten der anerkannten Asylbewerber sofort eine Arbeit aufnehmen – oft sei es gleich, welche – die Agentur sieht weitaus bessere Integrationschancen in den Arbeitsmarkt jedoch auf der Ausbildungsschiene. Vorher gelte es, sich über Sprachkurse des Deutschen mächtig zu machen, denn in der Berufsschule müssten die ausländischen Auszubildenden dieselben Prüfungen schreiben wie die deutschen Klassenkameraden.
Das alles koste Zeit, sagt Vaerst, und das schrecke viele ab: „Sie wollen Geld verdienen und damit ihre Familien, die oft noch in den Herkunftsländern sind, unterstützen.“Zudem kämen bei zahlreichen Kriegsflüchtlingen psychische Belastungen hinzu, die sie bislang vielleicht verdrängt hätten. Damit müsse man rechnen. Fazit: „Es ist schwierig.“Vaerst weiß neben den angesprochenen Problemen auch von den positiven Beispielen zu berichten. Wie etwa von einem Betrieb bei Krumbach, der einen Eritreer als Mechatroniker-Azubi beschäftigt und diesen schier familiär aufgenommen habe. Das funktioniere deshalb, weil er dort einen väterlichen Betreuer gefunden habe: „So jemanden muss es geben.“
Die Bereitschaft an sich bei den Betrieben, Fremde aufzunehmen, sei indes recht groß, doch die Anforderungen des deutschen Arbeitsmarktes eben genauso. Der ist hoch spezialisiert im technischen Bereich – und bei den pflegerischen Diensten, wo das Land händeringend Nachwuchs bräuchte, sei die Sprache immens wichtig. Probleme seien also nicht wegzuwischen.
In wirtschaftlich„ robusten“Gebieten wie dem Landkreis Donau Ries, der zuletzt imJu limit 2,2 Prozent die niedrigsteJu gen dar beitslosigkeits quote in ganz Deutschland vorweisen konnte, sei unterdessen die Zahl der arbeitssuchenden Migranten nicht stark auffällig in der Statistik. Hier werden in einigen Branchen Arbeitnehmer teils händeringend gesucht. Insgesamt sei es in diesem Zusammenhang aber „eine Illusion“, so Vaerst, dass der Fachkräftemangel kurz- und mittelfristig über das Flüchtlingsthema zu lösen wäre: „Das wird weder heute noch morgen der Fall sein.“Die qualifizierenden Voraussetzungen müssten erst geschaffen werden, und das gehe nicht einfach so.
Doch was ist mit Merkels „Wir schaffen das“aus Vaersts Sicht und aus seinen bisherigen Erfahrungen im Agentur bezirk? Der Arbeitsmarkt experte möchte generell nicht allzu schwarz sehen: „Bei denen, die da sind, könnte die Integration in den Markt klappen.“Das sei jedoch ein mühsamer Weg.