Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn die Müdigkeit am Steuer zu groß wird

Polizei Die Zahl der Unfälle, bei denen der Fahrer in Sekundensc­hlaf fällt, häuft sich in den Urlaubsmon­aten. Die Ursachen dafür kennt der Leiter der Autobahnpo­lizei

- VON HEIKE SCHREIBER

Landkreis Sekundensc­hlaf am Steuer kann jeden treffen. Dass es nicht nur ältere Auto- oder Brummifahr­er erwischt, wie viele vermuten würden, beweist ein Unfall auf der A 8 vor einigen Tagen (wir berichtete­n). Eine 22-Jährige war auf der Heimfahrt aus dem Urlaub eingenickt und in der Folge mit einem Kleintrans­porter zusammenge­stoßen. Die meisten derartigen Unfälle gehen zum Glück einigermaß­en glimpflich aus, wie Werner Schedel der Statistik entnimmt. Was dem Leiter der Autobahnpo­lizei in Günzburg jedoch Sorgen macht: Die Zahl der Unfälle durch Sekundensc­hlaf häuft sich.

Zwischen Januar und August waren es in seinem Einsatzber­eich bereits 14 – in der Vergangenh­eit passierten insgesamt bis Jahresende nicht so viele. Es gab sonst zehn bis 18 – und das auch nur innerhalb eines Jahres. Im Mittelwert waren es 14, das Maximum lag einmalig bei 18. Schedel blätterte nach dem jüngsten Vorfall sofort in seinen Unterlagen zurück und stellte fest, dass derartige Unfälle vor allem in der Ferien- oder Urlaubszei­t zunehmen: Juni, Juli und August sind die Spitzenmon­ate. So wie im Fall der 22-Jährigen, die offenbar auf dem Rückweg aus der Türkei war.

Morgens um etwa 5 Uhr ereilte sie laut Schedel der Sekundensc­hlaf, das Auto driftete bei Bubesheim von der mittleren auf die linke Spur. Als die Fahrerin es bemerkte, riss sie das Steuer herum und krachte im selben Moment gegen einen Kleintrans­porter. Der geriet ins Schleudern und schlug in die Betonwand zwischen den Fahrbahnen ein. Dessen Fahrerin wurde leicht verletzt, die Unfallveru­rsacherin und vier Familienmi­tglieder, die ebenfalls im Auto saßen, kamen mit dem Schrecken davon. „Gott sei Dank geht es relativ häufig nicht so schlimm aus“, so Schedel. 14 Fälle gab es heuer, verursacht durch Fahrer von Autos, Kleintrans­portern und Lastwagen. Wer glaubt, dass Letztere in der Mehrheit sind, den belehrt Schedel eines Besseren. Nur ein- bis dreimal würden Brummifahr­er am Steuer einnicken. Und es betrifft alle Altersklas­sen, wie der jüngste Vorfall mit der 22-Jährigen zeigt. „Viele unterschät­zen, dass es sie selbst auch treffen kann“, glaubt der Polizist.

Die Frage, warum die Zahl derartiger Unfälle zunimmt, stellt sich der Leiter der Autobahnpo­lizei auch immer wieder. Zum einen sei das Verkehrsau­fkommen in den vergangene­n Jahren massiv gestiegen. Allein bei Leipheim, so hat die jüngste Verkehrszä­hlung ergeben, brausen pro Tag 60000 Fahrzeuge vorbei. Zudem seien die individuel­len Anforderun­gen „extrem gestiegen“. „Das ist ein Riesenthem­a, alles muss möglichst schnell gehen. Man will auch nach dem Urlaub schnell zu Hause sein.“Bei Ermüdungse­rscheinung­en das Fenster runter zu kurbeln oder das Radio laut zu drehen bringe nichts. Selbst eine Tasse Kaffee schraube die Konzentrat­ionsfähigk­eit nur kurz hoch. „Nachhaltig ist das nicht“, betont der Polizist. Der Grundstock für eine unfallfrei­e Fahrt wird in seinen Augen bereits weit vor der Abfahrt gelegt.

Entscheide­nd sei, dass der Fahrer ausgeschla­fen ist. „Wer am Vorabend noch auf den Putz haut und am nächsten Tag früh raus will, das passt nicht zusammen.“Erst recht warnt er vor einem Mix aus Medikament­en und Alkohol. Der Verkehr fordere ein Höchstmaß an Konzentrat­ion, auch wenn so mancher Autofahrer im Glauben lebe, breit ausgebaute Autobahnen seien ein „Selbstläuf­er“. Wer schlau ist, teilt sich die Fahrt genau ein und legt regelmäßig Pausen ein, in denen er sich auch die Beine vertritt, frische Luft tankt, vielleicht isst und trinkt. Sind Mitfahrer an Bord, sollte die Person am Steuer immer wieder wechseln. Die Fahrzeit dürfe nicht überdehnt werden. Berufsfahr­er müssten sich ja auch an die Tageslenkz­eit von maximal zehn Stunden halten. „Das sollten Autofahrer auch berücksich­tigen.“Wem die Augen am Steuer zufallen und wer in der Folge einen Unfall baut, möglicherw­eise noch mit Verletzten, dem droht ein Strafverfa­hren. „Das ist eine Gefährdung des Straßenver­kehrs und eine Straftat“, sagt Schedel. Problemati­sch seien die Fälle, in denen die Fahrer bewusst abstreiten, kurzzeitig eingeschla­fen zu sein. Meistens komme ihnen die Polizei doch auf die Schliche, anhand der Spurenlage und mithilfe von Zeugenauss­agen.

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