Mittelschwaebische Nachrichten
Der schmutzige Krieg des Baschar al-Assad
Jahrelang fielen Fässer mit Sprengstoff und Metallteilen auf die Stadt Daraja. Jetzt gaben die letzten Rebellen auf
Damaskus Früher einmal war der syrische Ort Daraja für seine ausgezeichneten Trauben bekannt. Manche sagen, es seien die besten der Welt gewesen. Das ist viele Jahre her. Heute zeigen Fotos aus Daraja nur noch eine ausgebombte Geisterstadt voller Schutt und Asche. Der Ort vor den Toren der syrischen Hauptstadt Damaskus steht symbolisch für die entgrenzte Gewalt und die Zerstörung, die der Bürgerkrieg über das Land gebracht hat. Und für eine Taktik des Regimes, die sich aus Sicht der Machthaber als erfolgreich erweist.
In der vergangenen Woche sind nach mehreren Jahren Widerstand die letzten Rebellen aus dem Ort abgerückt. Auch die Einwohner haben Daraja verlassen, rund 8000 Menschen, erschöpft und ausgelaugt nach mehr als fünf Jahren Bürgerkrieg. Ein Abkommen zwischen Regierung und Rebellen gewährte Kämpfern und Zivilisten freien Abzug. Jetzt kontrolliert Syriens Armee Daraja.
2011, als der Aufstand in Syrien ausbrach, gehörte Daraja zu den ersten Orten, die sich gegen die Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad erhoben. Später übernahmen Rebellen die Kontrolle. Für das Regime ist Daraja so wichtig, weil es nicht nur vor den Toren von Damaskus liegt, sondern auch in unmittelbarer Nähe des zentralen Militärflughafens Al-Masa.
Über Jahre griffen Hubschrauber der syrischen Luftwaffe den Ort immer wieder mit Fassbomben an – Behälter, die mit Sprengstoff und Metallteilen gefüllt sind. International ist diese Waffe geächtet, weil sie eine besonders große Streuung erzielt. „Die Fassbomben waren wie Regen“, sagt Abu Mohammed, ein 76-Jähriger, der wie die meisten anderen Zivilisten aus Daraja jetzt in einem Aufnahmelager am Stadtrand von Damaskus untergekommen ist. Der ältere Herr zeigt mit seiner Hand auf eine Regentonne, die wie ein Fass aussieht. Sogar diese hasse er nun, sagt Abu Mohammed: „Ich möchte keine Fässer mehr sehen. Ich schwöre: Selbst wenn ich ewig lebe, werde ich in meinem Haus nie wieder ein Fass haben.“
Auch der zehn Jahre alte Omar hat die Bomben erlebt. „Wir haben die Hubschrauber beobachtet, wenn sie über den Ort flogen“, erzählt er. „Dann sind wir in die entgegengesetzte Richtung gelaufen.“Der 13 Jahre alte Samir sagt, er habe früher Pilot werden wollen. Jetzt stellt er sich seine Zukunft an einer Abwehrrakete vor: „Damit ich die Flugzeuge abschießen kann.“Die syrische Regierung hat Daraja von der Außenwelt abgeriegelt. Vier Jahre lang kamen Nahrungsmittel und Medikamente fast nur über Schmuggler in die Stadt. Zu wenig, um die verbliebenen Einwohner zu versorgen. Im Juni durften der Syrische Rote Halbmond und die UN Hilfskonvois mit Essen und Medikamenten in den Ort bringen. Aber auch das war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Von Mangelernährung unter den Einwohnern berichteten Helfer. Um Saif, eine Frau aus Daraja, macht dafür auch die Rebellen verantwortlich. „Das Regime und die bewaffnete Opposition haben sich darauf geeinigt, uns zu töten“, wettert sie. „In Daraja gab es alle Arten von Lebensmitteln, aber nur in den Händen von sehr wenigen Menschen.“Anhänger der Regierung und auch die Rebellen hätten mit allem gehandelt.
Während das Regime die Übernahme des Ortes als Erfolg verbuchen kann, fürchten die Vereinten Nationen, dass Daraja zum Modell für andere vom Regime belagerte Regionen werden könnte. Sulaiman, 56 Jahre alt, macht sich darüber keine Gedanken. Er hat genug damit zu tun, sein neues Leben zu begreifen. „Ich fühle mich, als wäre ich neu geboren“, sagt er. Vier Jahre lang habe er in Daraja weder Strom noch ein Radio oder Kommunikationsmittel gehabt und nichts von der Welt erfahren. Jetzt fragt er sich, wer diese Terrormiliz Islamischer Staat ist: „Wie lange gibt es die schon? Warum wurde sie gegründet? Warum erlaubt man ihr zu existieren. Ich verstehe nichts.“(dpa)
„Die Fassbomben waren wie Regen“, sagt ein alter Mann