Mittelschwaebische Nachrichten

Reichtum soll gerechter verteilt werden

Was die Staats- und Regierungs­chefs für die Wirtschaft beschlosse­n haben

- VON FINN MAYER-KUCKUK

Hangzhou Die Staats- und Regierungs­chefs der 20 wichtigste­n Wirtschaft­snationen setzen sozialere Leitlinien für die Wirtschaft­spolitik. „Wir wollen sicherstel­len, dass die Vorteile von Wirtschaft­swachstum, Globalisie­rung und technische­n Neuerungen möglichst vielen Menschen zugutekomm­en“, versprache­n sie am Montag im Abschlussd­okument des diesjährig­en G-20-Gipfels in der chinesisch­en Küstenstad­t Hangzhou. Das wichtigste Ziel sei jetzt die Schaffung von Vollzeitar­beitsplätz­en und Jobchancen für junge Arbeitnehm­er.

Die G-20-Regierungs­chefs sehen sich unabhängig vom politische­n System gezwungen, auf die weltweit steigende Ungleichhe­it zu reagieren. Die Bevölkerun­g von verschiede­nen Ländern hat zunehmend das Gefühl, dass Zuwächse der Wirtschaft vor allem den Reichen nützen. „Globalisie­rung ist nicht nur positiv, sie schafft auch erhöhte Ungleichhe­it“, sagte Kanzlerin Angela Merkel. „Dafür ist ein Ausgleich zu schaffen durch nachhaltig­eres Wachstum und mehr soziale Sicherheit.“

Die politische­n Führer der 19 wirtschaft­sstärksten Länder sowie der EU treffen sich jährlich auf dem G-20-Gipfel, um drängende Probleme zu besprechen. In diesem Jahr wurde der Gipfel zu einer Prestigeve­ranstaltun­g für die chinesisch­en Gastgeber, die ihre Rolle als neue Führungsma­cht festigen wollen. Dennoch konnten Politiker wie die Präsidente­n Barack Obama (USA), Wladimir Putin (Russland) oder Recep Tayyip Erdogan (Türkei) im offenen Austausch durchaus Fortschrit­te bei den gegenseiti­gen Beziehunge­n erzielen.

Ein weiterer zentraler Punkt in der Abschlusse­rklärung vom Montag war die Abkehr von Wirtschaft­sförderung durch immer billigere Geldpoliti­k. Zentralban­ken weltweit, allen voran die der Eurozone und der USA, haben die Märkte mit immer mehr Gratis-Geld überspült – in der Hoffnung, die lahmende Wirtschaft damit zu beleben. Doch dieses Vorgehen stellt sich zunehmend als unsozial heraus. Das Geld findet seinen Weg vor allem an die Finanzmärk­te und schwemmt diese auf. Vor allem die Besitzer von Geldanlage­n wie Aktien, direkten Firmenante­ilen oder Wohnungen in bester Lage profitiere­n davon. Also die, die bereits reich sind. Die einkommens­schwachen Schichten haben das Nachsehen.

Die Chancenung­leichheit gilt zunehmend als Ursache für das Erstarken von Bewegungen, die sich gegen die etablierte Politik stemmen. Nicht nur in Mecklenbur­g-VorVertret­er pommern, auch in Großbritan­nien mit dem EU-Ausstieg „Brexit“oder in den USA mit den Wahlkampfe­rfolgen des Demagogen Donald Trump könnten ähnliche Grundmuste­r am Werk sein. Selbst das nominal kommunisti­sche China hat sich fest vorgenomme­n, wieder sozialer zu werden, nachdem die Zahl der Milliardär­e in nur zehn Jahren von null auf 350 gestiegen ist.

Da ein Teil der G-20-Länder dennoch weiterhin auf billiges Geld setzen will, waren die Formulieru­ngen vorsichtig gewählt – doch es war bemerkensw­ert, dass sich hier überhaupt ein Konsens gefunden hat. Die Abschlusse­rklärung stellte klar, dass echte Reformen und eine Abkehr von hoher Staatsvers­chuldung Priorität haben sollen.

Kanzlerin Merkel spielte auf dem Gipfel eine besondere Rolle: Im kommenden Jahr ist Deutschlan­d Gastgeber der G 20. Gegen Ende der Veranstalt­ung am Montag besprach sie sich noch einmal unter vier Augen mit Chinas Präsident Xi Jinping – zur Übernahme des Staffelsta­bs. Der nächste Gipfel findet im Juli 2017 in Hamburg statt. Merkel will als Gastgeberi­n einen Schwerpunk­t auf die Themen Digitalisi­erung und moderne Industrief­ormen setzen.

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Foto: dpa Für die einen Suppenküch­e, für die anderen Champagner – gegen die Ungleichhe­it wollen die Staatschef­s der G 20 ankämpfen.

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