Mittelschwaebische Nachrichten

Höchste Sicherheit

Bayern hat sich einen 17 Millionen Euro teuren Gerichtssa­al auf dem Gelände der JVA Stadelheim in München geleistet – speziell für Terroriste­n, Staatsfein­de und Mafiabande­n

- VON ULI BACHMEIER

München Allgemein gilt: Im Keller ist es finster, im ersten Stock ist es hell. Bei der Münchner Justiz ist es neuerdings umgekehrt. Der alte Schwurgeri­chtssaal im ersten Stock des Strafjusti­zzentrums an der Nymphenbur­ger Straße erscheint vielen Besuchern als ein finsteres, marodes Betonloch. Der neue Hochsicher­heits-Gerichtssa­al, der in gut drei Jahren Bauzeit auf dem Gelände der Justizvoll­zugsanstal­t München-Stadelheim entstanden ist, dagegen präsentier­t sich hell und modern – obwohl er fünf Meter unter der Erde liegt.

„Lichtdurch­flutet“sei der Raum, „ohne jede Spur von Bunkeratmo­sphäre“, schwärmte Peter Küspert, Präsident des Bayerische­n Verfassung­sgerichtsh­ofs und des Oberlandes­gerichts München, gestern bei der Einweihung. Kurt Bachmann, der Leiter des staatliche­n Bauamts München I, sprach von einem „angemessen würdevolle­n und durchaus freundlich­en Ambiente“. Und Bayerns Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) fühlte sich sogar an das berühmte Höhlenglei­chnis des griechisch­en Philosophe­n Platon erinnert. So wie der Mensch nicht in der Höhle verharren, sondern nach Erleuchtun­g streben soll, so sei das im übertragen­en Sinne auch für die Justiz: „Die Wahrheit muss ans Licht gebracht werden.“

Dass der Freistaat Bayern sich einen 17 Millionen Euro teuren Gerichtssa­al leistet, der künftig speziell für Prozesse gegen Terroriste­n, Staatsfein­de und Mafiabande­n genutzt werden soll, hat freilich weniger mit Philosophi­e, denn mit praktische­n Erforderni­ssen zu tun. Mit großen Verfahren wie zum Beispiel dem Prozess gegen die Terrorzell­e „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“(NSU) stieß die Justiz in der Landeshaup­tstadt in jüngster Zeit immer öfter an ihre Grenzen – räumlich wie organisato­risch. Außerdem sind diese Prozesse, weil die Angeklagte­n täglich quer durch die Stadt vom Gefängnis ins Gericht gebracht werden müssen, mit einem großen logistisch­en und sicherheit­stechnisch­en Aufwand verbunden.

All diese Probleme sollen mit dem

Die Justizvoll­zugsanstal­t Stadelheim liegt im Münchner Stadtteil Giesing. Sie ist fast vollständi­g von Wohnbebauu­ng umgeben. Ihr Name leitet sich her von einem Gut Stadelheim, das hier früher vor den Toren Münchens lag.

Mit knapp 640 Bedienstet­en, einer Nutzfläche von 14 Hektar und einer Kapazität von knapp 1400 regulären Haftplätze­n – vorwiegend für Männer – ist Stadelheim eine der größten neuen Gerichtssa­al künftig der Vergangenh­eit angehören: Die Angeklagte­n können unterirdis­ch aus ihrer Gefängnisz­elle direkt vor die Richter gebracht werden, ohne dabei die Justizvoll­zugsanstal­t zu verlassen. Es kann dabei, wenn es die Sicherheit erfordert, sogar sichergest­ellt werden, dass sie sich erst im Gerichtssa­al begegnen. Für Staatsanwä­lte und Richter gibt es eigene Zugänge und Aufenthalt­sräume. Die übrigen Prozessbet­eiligten wie Anwälte, Gutachter und Dolmetsche­r sowie Journalist­en und Zuhörer kommen über einen eigens außerhalb der Gefängnism­auer errichtete­n Eingangspa­villon und ein großes Foyer in den Saal.

Die Gäste der Einweihung­sfeier konnten gestern schon einen ersten Eindruck davon bekommen, wie Justizvoll­zugsanstal­ten Deutschlan­ds. Zu der JVA gehören auch ein Jugendund Frauenstra­fvollzug, der in einem Neubau in unmittelba­rer Nähe eingericht­et wurde, sowie ein Haus für Freigänger in der Leonrodstr­aße im Stadtteil Neuhausen.

Für den neuen Hochsicher­heitsgeric­htssaal musste die Gärtnerei auf dem Gefängnisg­elände weichen. Im Gegenzug aber bekam das Gefängnis eine neue Sporthalle. (jub) leistungsf­ähig der neue Gerichtssa­al ist. Dort ist nämlich schon alles angerichte­t für den ersten Prozess gegen zehn türkische Extremiste­n, die nicht nur jeweils mit einem oder mehreren Anwälten, sondern auch mit Dolmetsche­rn ihres Vertrauens kommen werden. Allein auf der Seite der Angeklagte­n werden also in diesem Verfahren rund 40 Personen sitzen. Jeder von ihnen hat ein Mikrofon vor sich, um gehört zu werden. Lautsprech­er und Videoleinw­ände sorgen dafür, dass jeder jeden sieht und hört.

Bei der Gestaltung des Saales, so Justizmini­ster Bausback, habe man sich die Erkenntnis­se aus vielen Staatsschu­tzverfahre­n der vergangene­n Jahre zu Nutze gemacht. „Gezeigt hat sich dabei vor allem eines: Ein Gerichtssa­al, in dem Staatsschu­tzprozesse verhandelt werden, muss möglichst flexibel sein. Sei es eine große Zahl von Angeklagte­n oder Nebenkläge­rn, sei es ein besonders öffentlich­keitswirks­ames Verfahren – für all diese Fälle muss Vorsorge getroffen werden.“

Dass der Saal dringend nötig war, steht für OLG-Präsident Küspert außer Frage. Die Zahl der Staatsschu­tzverfahre­n habe sich seit 2013 verdoppelt. Das liegt nach Aussage Bausbacks auch daran, dass der Generalbun­desanwalt vermehrt derartige Verfahren nach Bayern abgibt. An den Kosten aber habe sich der Bund nicht beteiligt. »Kommentar

Die Justizvoll­zugsanstal­t Stadelheim

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