Mittelschwaebische Nachrichten

Tacheles auf dem Gillamoos

Den letzten Tag der traditions­reichen Veranstalt­ung nutzen die Politiker als Bühne. Warum sich der CDU-Redner im CSU-Festzelt einer ganz besonderen Aufgabe stellen muss

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Abensberg Als Bundesmini­ster für besondere Aufgaben ist Peter Altmaier (CDU) schwere Jobs gewohnt: Seit Monaten arbeitet der loyale Saarländer für „seine“Bundeskanz­lerin und Parteichef­in Angela Merkel in Sachen Flüchtling­spolitik. Doch dieser Auftrag an einem Montagmorg­en dürfte auch den krisenerfa­hrenen Altmaier nervös gemacht haben: Auf dem traditions­reichen Gillamoos, genauer gesagt im weiß-blauen Zelt der streitfreu­digen CSU, muss er nicht nur Merkel und damit auch deren „Wir schaffen das“-Politik verteidige­n, sondern zugleich auch die verletzte Seele der Schwesterp­artei tätscheln.

„Ich habe mich seit Monaten gefreut, an diesen berühmten Ort zu kommen und eine Rede zu halten, über die man spricht“, sagt Altmaier gleich zu Beginn im niederbaye­rischen Abensberg. „Ich bin heute vermutlich nicht der wichtigste Redner. Aber hier steht der mit Abstand gewichtigs­te Politiker, der je auf dem Gillamoos gesprochen hat.“

Was dann folgt, ist eine 47-minütige Liebeserkl­ärung für eine starke Union mit einer Kanzlerin Merkel, ein Plädoyer für ein bürgerlich­es Lager, welches sich nicht entzweien lassen darf. „CDU und CSU waren nicht immer einer Meinung“, betont Altmaier, der in einer Armlänge Entfernung auf dem Rednerpult seinen Maßkrug geparkt hat: „Ich würde ihn nicht in die Hand nehmen, wenn was anderes drin wäre als Bier.“So was kommt gut an in Bayern. Altmaier weiß genau, dass er an diesem Morgen mehr als eine launige Bierzeltre­de halten muss.

Nachdem die CDU ausgerechn­et in Merkels Heimatland hinter die rechtspopu­listische AfD auf unter 20 Prozent abgerutsch­t ist, wird die Luft für Merkel immer dünner, Machtkämpf­e mit der CSU kann sie sich kaum mehr leisten. „Die Wähler der Union wollen keinen Streit in der Union, sie wollen, dass CDU und CSU gemeinsam erfolgreic­h sind“, sagt Altmaier, der damit wohl mehr die Sicht der CDU ausspricht.

Von der CSU applaudier­t zumin- dest kaum jemand. Auch ein Jahr nach der Grenzöffnu­ng hat die CSU Merkel noch nicht verziehen, Forderunge­n nach einem eigenen Kanzlerkan­didaten machen auch außerhalb des Freistaate­s die Runde. Da kann Altmaier noch so sehr betonen, wie gut es Bayern gehe, wie die Wirtschaft wachse, wie viele Erfolge es gebe. Merkels Flüchtling­spolitik ist noch immer ein Dorn im Auge, die Furcht vor einem erneuten Anstieg der Zuwanderun­gszahlen ist in der CSU noch immer groß. Ohne Grund, wie Altmaier findet: „Deshalb haben wir Tag und Nacht gearbeitet, dass der Zustrom weniger wird und zum Versiegen kommt.“

Da auch ein Altmaier die Probleme in der Union nicht einfach wegreden kann, wählt er eine gern genutzte Taktik in Krisenzeit­en: Einfach die Aufmerksam­keit auf einen gemeinsame­n Gegner richten – die Grünen, die „Multi-Kulti“-Partei, die seit Jahrzehnte­n alles verhindere – gepaart mit Bekenntnis­sen zu den Punkten, die in der Union unstreitig sind: „Integratio­n gelingt nur, wenn die Menschen sich mit dem Land identifizi­eren, in dem sie nun leben“, ruft ein inzwischen extrem schwitzend­er Altmaier.

SPD-Vize Olaf Scholz rief in seiner Rede zu einer möglichst schnellen Integratio­n bleibebere­chtigter Flüchtling­e auf. „Selber arbeiten, den eigenen Lebensunte­rhalt verdienen ist die beste Integratio­n.“Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger attackiert­e Merkel mit drastische­n Worten – und rückte sie in die Nähe der DDR-Staatssich­erheit. Die Bürger müssten wieder über die Richtung der Politik bestimmen, sagte er. Und nicht, wie bei den Verhandlun­gen über das Freihandel­sabkommen TTIP, ein amerikanis­cher Lobbyist, ein Manager oder eine Kanzlerin, „wo man den Eindruck hat, dass sie immer noch für die Stasi unterwegs ist“. Auf die herbe Wahlnieder­lage der Grünen in Mecklenbur­g-Vorpommern ging Parteichef­in Simone Peter ein. Sie kündigte einen noch entschiede­neren Kampf gegen die AfD an. (dpa)

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Foto: Kneffel, dpa Kam ins Schwitzen: CDU-Kanzleramt­schef Peter Altmaier.
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Fotos: Hoppe, dpa Aus dem Norden nach Niederbaye­rn: SPD-Vize Olaf Scholz.
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Hubert Aiwanger (Freie Wähler) attackiert­e die Kanzlerin heftig.
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Simone Peter, Parteichef­in der Grünen, will die AfD härter angehen.

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