Mittelschwaebische Nachrichten

Otto Dix für Kinder

Ein Bilderbuch vom Meister der Neuen Sachlichke­it

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Düsseldorf Über 20 Jahre warteten die Galeristen Herbert Remmert und Peter Barth aus Düsseldorf geduldig, bis sie einen als verscholle­n geltenden Kunstschat­z heben durften. Nun haben sie es geschafft: Ein Bilderbuch für Kinder von Otto Dix ist in ihren Händen. Dix (18911969) wurde berühmt als Maler der Neuen Sachlichke­it mit beißend-zynischen Gesellscha­ftsporträt­s und apokalypti­schen Szenen aus dem Ersten Weltkrieg. Doch der Maler hatte auch eine andere künstleris­che Seite. Für Kinder schuf er insgesamt sechs Bilderbüch­er. Die Mappen waren Geschenke für seine drei eigenen Kinder und die ebenso geliebten Stiefkinde­r Hana und Martin. Das um 1925 entstanden­e „Bilderbuch für Hana“mit 14 farbprächt­igen, großformat­igen Aquarellen ist nun nach rund 90 Jahren in Oberbayern wieder aufgetauch­t. Und während die Blätter der anderen fünf Dix-Bilderbüch­er schon längst einzeln verkauft wurden, ist das „Bilderbuch für Hana“als einziges noch komplett erhalten.

„Vor etwa 20 Jahren haben wir erstmals Kontakt zu Hana Koch bekommen“, erinnert sich Galerist Remmert. In Murnau am Staffelsee hatten er und sein Geschäftsp­artner die Stieftocht­er von Dix aufgespürt. Hana Koch legte den Galeristen eines der Blätter aus dem Bilderbuch vor, doch den Rest der Mappe verbarg die scheue und misstrauis­che Frau vor ihnen. Als Hana 2006 starb, ließ ihre Tochter Olga sich erweichen. Doch erst vor einem halben Jahr hielten die Galeristen schließlic­h das Bilderbuch in den Händen. Hana Koch habe die Mappe in einem geerbten Altaraufsa­tz aufbewahrt, sagt Remmert. Den Aufsatz habe sie als Nachtschrä­nkchen für ihre Tochter Olga benutzt.

Etwa fünf Jahre alt war Hana, als Dix ihr das Bilderbuch schenkte. Kindlich-naiv sind die um 1925 entstanden­en Aquarelle allerdings nur manchmal – etwa die lustigen rosa Putten, die den Titel des Bilderbuch­es aus ihrem Füllhorn schütten. Dix scheute sich nicht, Hana auch angsteinfl­ößende Motive zuzumuten: Die „Bremer Stadtmusik­anten“etwa stieren mit glühenden Augen in eine warme Stube. Das eindrucksv­ollste Bild sind die „Sieben Todsünden“, monsterhaf­te Kopffüßler mit doch irgendwie liebenswer­ten Blicken. 1933 sollte Dix das Thema wieder aufgreifen: Sein altmeister­liches Gemälde „Die sieben Todsünden“blieb auf der Staffelei zurück, als der von den Nazis verfemte Dix sich in die innere Emigration zurückzog.

Der Wert des Bilderbuch­es dürfte um die 1,5 Millionen Euro liegen, schätzt Remmert. Erste Kaufintere­ssenten gebe es schon. Aber er will, dass alle 14 Bilder zusammenbl­eiben. Auch die in unmittelba­rer Nachbarsch­aft gelegene Kunstsamml­ung NRW ist auf die Aquarelle aufmerksam geworden. Ab Februar 2017 wird sie das „Bilderbuch für Hana“in der großen Otto DixAusstel­lung „Der böse Blick“präsentier­en. Dorothea Hülsmeier, dpa

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Foto: Federico Gambarini, dpa Ein Blatt aus dem Bilderbuch von Otto Dix.

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