Mittelschwaebische Nachrichten
Angelique hat es in der Hand
Die Tenniswelt wartet gespannt auf ein Duell um die Nummer eins. Wie Kerber an die Spitze kommen kann und warum sie vor ihrer nächsten Gegnerin besonders gewarnt ist
New York Über den möglichen Final-Showdown und ein direktes Duell um den Tennis-Thron sprechen Angelique Kerber und Serena Williams nicht. Schon öfter liefen sich die Nummer eins und zwei der Welt in den vergangenen Tagen auf der weitläufigen Anlage im Flushing Meadows Corona Park über den Weg. Mal trainierte die eine direkt vor der anderen, mal trafen sich die Weltranglisten-Erste aus den USA und ihre hartnäckigste Verfolgerin aus Kiel in der Umkleidekabine. Ein bisschen Smalltalk, ein bisschen „Wie geht es so?“Mehr nicht.
„Nee, nee, das macht man nicht“, antwortete Kerber nach ihrem Viertelfinal-Einzug bei den US Open auf die Frage, ob sie mit ihrer Konkurrentin schon über ein Wiedersehen im Endspiel gesprochen habe.
Schritt für Schritt nähert sich die 28-Jährige aus Kiel in New York ihrem zweiten Grand-Slam-Titel. Drei Runden zum Aufwärmen gegen Polona Hercog, Mirjana LucicBaroni und Catherine Bellis und das letztlich souverän gewonnene Achtelfinale gegen die zweimalige Wimbledonsiegerin Petra Kvitova haben die Rolle Kerbers manifestiert.
Zum zweiten Mal nacheinander durfte sie in der Night Session im Arthur-Ashe-Stadium antreten. Auch ein Ausdruck von Respekt und der Hoffnung der US-OpenMacher auf gute Unterhaltung für die teuer zahlende Kundschaft in der größten Tennis-Arena der Welt. Spätestens seit ihrem AustralianOpen-Sieg, aber mehr noch seit ihrem knapp verlorenen Wimbledonfinale gegen Williams wird Kerber als seriöseste Herausfordererin der jahrelangen Dominatorin ernst genommen.
Nach ihrem 6:3, 7:5-Erfolg gegen Kvitova analysierte Kerber selbstbewusst: „Heute weiß ich, dass ich die großen Turniere gewinnen kann, dass ich enge Matches gewinnen kann.“Bei den Australian Open hatte Kerber gegen Williams als erste Deutsche seit Steffi Graf wieder einen Grand-Slam-Titel gewonnen. In Wimbledon war sie Williams im Endspiel knapp unterlegen.
Und jetzt wird ein Final-Szenario Kerber gegen Williams immer realistischer. „Das wollen alle sehen, das wäre wie gemalt, ein unglaubliches Endspiel“, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner und lobte die „sehr gewachsene Persönlichkeit“Angelique Kerber: „Sie macht in fast allen Situationen fast immer das Richtige.“
Auch deshalb verspricht nun die Konstellation so viel Spannung, dass die Damen-Organisation WTA jeden Tag den Stand im Rennen um die Weltranglistenführung veröffentlicht. Durch Kerbers Viertelfinal-Einzug steht fest, dass Williams das Endspiel erreichen muss, um ihre Spitzenposition nicht zu verlieren. Sollten Kerber und Williams im Finale stehen, wäre die Siegerin die Nummer eins.
„Als Kind habe ich davon geträumt. Jetzt kann es passieren, aber ich darf mir deswegen keinen Druck machen und nicht zu viele Gedan- ken im Kopf haben“, sagte Kerber. Bis zu einem möglichen Finale sind es noch zwei Schritte.
Im Viertelfinale wartet am heutigen Dienstag (18 Uhr) Roberta Vinci. Die Italienerin hat 2015 im Halbfinale völlig überraschend Serena Williams aus dem Turnier geworfen – als alle nur noch vom bevorstehenden vierten Grand-Slam-Triumph in einem Jahr der Amerikanerin sprachen. Das Spiel hat Kerber damals nicht gesehen, aber sie ist gewarnt und sagt deshalb: „Es ist noch ein weiter Weg.“(dpa)