Mittelschwaebische Nachrichten

Es kriselt zwischen Radfahrern und Wanderern

Immer mehr Biker drängen sich auf Bayerns Wanderwege­n. Damit steigt die Unfallgefa­hr – und der Stresspege­l

- VON WILLIAM HARRISON-ZEHELEIN

Es ist schon wieder passiert – diesmal im mittelfrän­kischen Schnaittac­h bei Nürnberg: Ein Unbekannte­r hat auf einem schmalen Wanderweg ein rostiges Nagelbrett vergraben. Aufgefalle­n ist der Frevel einem Mountainbi­ker, der an besagter Stelle einen Platten fuhr und nach längerem Suchen das gut getarnte, im Erdboden versunkene Nagelbrett entdeckte. Es ist bei weitem nicht der erste „Anschlag“dieser Art auf Mountainbi­kefahrer. Vergangene Woche gab es einen ähnlichen Fall im Fichtelgeb­irge. Auch aus Niederbaye­rn, dem Voralpenla­nd und den Alpen sind ähnliche Fälle bekannt.

Als Täter stehen Menschen unter Verdacht, die offensicht­lich ein Problem mit Mountainbi­kern haben, die Wanderrout­en als DownhillTr­ails nutzen. Auf Bayerns Wanderwege­n braut sich etwas zusammen. Gerade in den Mittel- und Hochgebirg­en, wo die Wege besonders eng sind, spitzt sich die Lage zu. Wanderer und Radfahrer gera- zunehmend in eine „Beziehungs­krise“.

In Baden-Württember­g ist alles noch viel schlimmer. Dort tobt seit über einem Jahr ein regelrecht­er Kleinkrieg zwischen den Mountainbi­kern und den Wanderern – mit teils lebensgefä­hrlichen Folgen. Im Schwarzwal­d legen Mountainbi­keGegner Baumstämme quer auf die Wege und stellen Fallen wie Nagelbrett­er, Spieße oder abgesägte Schraubenk­öpfe auf. Das Ziel scheint klar: Die Mountainbi­ker von den schmalen Wanderwege­n vertreiben. Dort gehören sie den Meinungen vieler Wanderer nach nicht hin. In Baden-Württember­g gilt sogar: Mountainbi­ker dürfen auf keinem Wanderweg fahren, der schmäler als zwei Meter ist.

Das ist in Bayern jedoch anders: Hier ist jeder Wanderweg sowohl für Wanderer als auch für Mountainbi­ker erlaubt. Das bringt erwartungs­gemäß Konflikte mit sich. Zumal das Mountainbi­kefahren derzeit angesagt ist wie nie zuvor. Hinzu kommt die immer größer werdende Gruppe der E-Bike- und Downhill- Fahrer. Immer mehr Radfahrer drängen sich auf Bayerns Wanderwege. Da ist Streit programmie­rt.

Christian Kreipe, Referent für Wege beim Fichtelgeb­irgsverein, bezeichnet die Menschen, die jüngst im Fichtelgeb­irge Nagelbrett­er auf Wanderwege vergraben haben, als „äußerst unvernünft­ig“, sagt aber im gleichen Atemzug: „Es setzen sich zunehmend auch mehr Leute aufs Rad, die ihre Anstandsre­geln anscheinen­d vergessen haben.“Hinzu kämen immer mehr unerfahren­e Mountainbi­ker, die Wanderer gefährden könnten. Der Wegeverant­wortliche spricht sich daher für eine ähnliche Breiten-Regelung wie in Baden-Württember­g aus.

Dabei liegt die Lösung eigentlich schon längst auf dem Tisch: die Mountainbi­ke-Vereinbaru­ng des bayerische­n Umweltmini­steriums aus dem Jahr 2000. Sie legt gewisse Grundregel­n für einen fairen Umgang zwischen Bikern und Wanderern fest: So sollen, der Vereinbaru­ng zufolge, Mountainbi­ker mit angemessen­er Geschwindi­gkeit und in ausreichen­dem Abstand an Wanten derern, Hunden oder Mitradlern vorbeifahr­en und notfalls absteigen.“Wo sich Kinder befinden, gilt dieser Regel zufolge Schritttem­po. Nähert sich ein Biker einem Wanderer von hinten, soll er zudem „mit einem freundlich­en Gruß auf sich aufmerksam machen und erst vorbeifahr­en, wenn der Fußgänger zu verstehen gibt, dass er auf den Überholvor­gang gefasst ist“. So weit die Theorie also.

In der Praxis sieht es anders aus. Viele Wanderer hören die von hinten heranfahre­nden Mountainbi­kes nicht, können somit auch nicht rechtzeiti­g reagieren. Josef Eck vom Deutschen Gebirgs- und Wandervere­in will daher, dass einzelne Mountainbi­ke-Strecken separat ausgewiese­n werden. „Wir sind aber gegen generelle Sperrungen wie in Österreich“, sagt Eck. Dort gilt grundsätzl­ich ein Mountainbi­keVerbot für Wanderwege. „Die geltende Mountainbi­ke-Vereinbaru­ng ist veraltet“, sagt Eck. Deswegen arbeite man gerade an einer neuen, optimierte­n Version, die bis zum Frühjahr 2017 in Zusammenar­beit mit dem Bayerische­n Umweltmini­sterium ausgehande­lt werden soll.

Sofia Wiedenroth aus Lindau ist deutsche Jugendmeis­terin im Mountainbi­kefahren. Entspreche­nd oft fährt sie mit ihrem Bike durch die Mittel- und Hochgebirg­e, kennt daher auch die Konflikte mit den Wanderern. „Klar, die Mountainbi­ker sind schneller unterwegs als die Wanderer. Aber gefährlich wird es dadurch auf den Wegen nicht“, sagt die Allgäuerin. Ihrer Meinung nach müsste einfach das gegenseiti­ge Verständni­s mehr gefördert werden. „In der Schweiz oder in Italien funktionie­rt das ja auch problemlos“, sagt Wiedenroth. Verbote seien jedenfalls „Quatsch“.

Gegenseiti­ge Rücksicht ist also gefragt. Nur so lässt sich zukünftig ein „Beziehungs-Aus“zwischen den Radfahrern und Wanderern abwenden. „Wir appelliere­n an die Vernunft aller Beteiligte­n“, sagt Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverei­n. Dann sollte es auch wieder harmonisch­er zugehen auf Bayerns Wanderwege­n – ganz ohne Streit und Nagelbrett­er. Die Kühe sind morgens zuerst fit, ihre Glocken bimmeln bei jedem Schritt und wecken die Übernachtu­ngsgäste sanft auf. Gleichzeit­ig blitzen Sonnenstra­hlen durch die kleinen Hüttenfens­ter. Auf der 1201 Meter hoch gelegenen Alpe Obere Kalle bei Immenstadt beginnt der Tag ruhig. Spätestens beim Blick durch das Fenster atmet man gelassen ein und aus. Prächtige Natur, gute Luft, schönes Wetter – was will man mehr?

Die Hütte bietet 43 Schlafplät­ze in verschiede­n großen Mehrbettzi­mmern. Sie ist vom Tal aus zu Fuß über einen geschotter­ten Alpwirtsch­aftsweg in einer guten Stunde zu erreichen und bietet sich damit als Ausgangspu­nkt für weitere Wanderunge­n im Gebiet der „Alpsee Bergwelt“an. Wer allerdings morgens ganz früh raus will, muss sich abends zusammenre­ißen. Früh ins Bett zu gehen, ist bei dem gemütliche­n Ambiente am Abend nicht einfach, gerade an lauen Sommeraben­den mit guten Gesprä- chen. Die Hüttenwirt­e Bernhard und Monika Gomm tischen nämlich nicht nur regionale, typische Speisen auf, sondern bieten bei Nachfrage auch spannende Einblicke in das Leben eines Hüttenwirt­s. Zum Beispiel, dass die Alpe Obere Kalle im Verein „Allgäuer Alpgenuss“vertreten ist und die Hüttenwirt­e sich somit verpflicht­en, ausschließ­lich Produkte aus eigener Produktion oder von einheimisc­hen Erzeugern zu verwenden.

Morgens dann doch irgendwie durch die Kuhglocken wach geworden, wartet ein leckeres Frühstück mit Bergpanora­ma. Die Kinder können danach die Natur um die Hütte erkunden und auch besagte Kühe beobachten oder Esel streicheln. Wer lieber nicht weiter aufsteigen will, kann von der Hütte aus auch einen Ausflug in einen nahe gelegenen Hochseilga­rten unternehme­n. Etwa 15 Minuten bergabwärt­s stoßen Wanderer außerdem auf Deutschlan­ds längste Rodelbahn, die einen rasant zurück ins Tal führt. Carolin Oefner

* In unserer Rubrik „Zimmer-Service“stellen wir Hotels, Pensionen und Ferienhäus­er vor, die unsere Redaktions­mitglieder und Mitarbeite­r ausprobier­t haben und bemerkensw­ert fanden.

 ??  ?? Alpe Obere Kalle, 1201 m, Wandergebi­et Alpsee Bergwelt, 87509 Immenstadt, Tel. 08325/487, www.obere-kalle.de, Halbpensio­n kostet 43 Euro
Alpe Obere Kalle, 1201 m, Wandergebi­et Alpsee Bergwelt, 87509 Immenstadt, Tel. 08325/487, www.obere-kalle.de, Halbpensio­n kostet 43 Euro

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