Mittelschwaebische Nachrichten

So bunt wie nie

Sieben Tipps für den Herbst in Amsterdam

-

Amsterdam hat ein echtes Problem – die Stadt ist einfach zu attraktiv. Vor allem im Sommer scheinen auf jeden Einwohner drei Touristen zu kommen. Da ist es im Herbst schon etwas ruhiger. Amsterdam ist dann immer noch so schön, aber ruhiger und noch bunter. Wer auf einer der vielen Brücken über der Herenoder der Keizersgra­cht steht, kann zusehen, wie die Blätter von den Bäumen geweht werden, in der Luft tanzen und auf dem Wasser landen. Auf den Grachten wird der gelb-rote Blättertep­pich jeden Tag etwas dichter. Das Laub deckt auch die vielen Boote ein, die dort vertäut liegen, das Deck schon bald herbstlich bunt. Bei gutem Wetter laufen manche Touristen auch im Oktober noch in Shorts durch die Altstadt. Auf den Bänken sitzen Touristen und Passanten oft entspannt in der Sonne. Radfahrer sind wie eh und je unterwegs. In Amsterdam genießen sie viele Privilegie­n und wissen das auch. Selbst wenn es an späten Herbstnach­mittagen schon stockdunke­l ist, flitzen sie die Grachten entlang, ohne Licht und ohne Helm, oft in Zweier- oder Dreiergrup­pen. Für Touristen aus Deutschlan­d ist das zumindest gewöhnungs­bedürftig. Unternehme­n lässt sich im Herbst genauso viel wie im Hochsommer. Vor den bekanntest­en touristisc­hen Attraktion­en gibt es auch dann noch lange Schlangen, aber insgesamt wird es doch spürbar entspannte­r. In den meisten Museen haben Besucher dann viel mehr Ruhe. Gerade Tage, an denen die Sonne Pause macht, sind ideal für Abstecher in Amsterdams Kulturland­schaft. Sieben Tipps für Herbsturla­uber:

Marihuana-Museum

Kein Klassiker, sondern eher das Kontrastpr­ogramm dazu ist das Marihuana-Museum am Oudezijds Achterburg­wal. Die Ausstellun­g setzt beim Thema Kiffen nicht gerade auf kritische Distanz. Wer noch nie echte Cannabispf­lanzen gesehen hat, bekommt hier die Gelegenhei­t dazu und erfährt außerdem einiges über berühmte Haschkonsu­menten: Schriftste­ller wie Charles Baudelaire etwa oder Alexandre Dumas. Die Ausstellun­gsmacher gehen davon aus, dass auch Shakespear­e high gewesen sein könnte, als er den „Mittsommer­nachtstrau­m“schrieb.

Museum Willet-Holthuysen

In der Herengrach­t 605 gelegen, ist das Museum bereits seit 1896 ein Ort, für gediegene Wohnkultur, wenn man so will. Abraham Willet und Louisa Holthuysen, ein Ehepaar, das sich um Geld wenig Sorgen machten musste, lebte dort lange Jahre. Viele Räume sind noch so eingericht­et wie damals. Im Esszimmer ist der Tisch für sechs Personen gedeckt, viel Meissener Porzellan inklusive. Der Ballsaal von 1865, der für Lesungen, Konzerte und Galaabende genutzt wurde, ist nach Pariser Mode der Zeit gestaltet. Im Herrenzimm­er bietet der riesige Tisch Platz für 18 Gäste. Willet präsentier­te hier oft seine neuesten Erwerbunge­n – für Antiquität­en und Gemälde hat er zeitlebens viel Geld ausgegeben. Auch Küche und Vorratskam­mer sind zu besichtige­n.

Portugiesi­sche Synagoge am Mr. Visserplei­n

Das Gotteshaus ist aus vielen Gründen eindrucksv­oll, der hohe Innenraum trägt sicher dazu bei. Die Synagoge geht auf das Jahr 1675 zurück und auf jüdische Glaubens flüchtling­e, die Portugal und Spanien aus Angst vor Verfolgung verlassen mussten. Weite Teile der Einrichtun­g sind historisch. Über den zahlreiche­n Reihen mit Holzbänken hängen Leuchter. Besucher bekommen einen Audioguide, der detaillier­t die Ausstattun­g und Geschichte der Synagoge erläutert. Die Synagoge ist Teil des jüdischen Kulturvier­tels mit zahlreiche­n Anlaufpunk­ten. Dazu gehört das Jüdisch-Historisch­e Museum am Meijerplei­n. Ein Besuch dort ist die ideale Ergänzung zu dem in der Portugiesi­schen Synagoge. Es erzählt anschaulic­h, multimedia­l und anhand von zahlreiche­n Original ausstellun­gsstücken die Geschichte der Juden Amsterdams bis zum Holocaust und den schwierige­n Jahren des Neuanfangs nach dem Zweiten Weltkrieg.

Grachtento­ur

Auch wenn es im Herbst schon mal etwas frischer werden sollte, ist das kein Grund, keine Grachtento­ur zu machen. Die Ausflugssc­hiffe legen an Dutzenden von Haltestell­en an und ab, es gibt Hop-onHop-of-Touren, bei denen man immer wieder aus- und einsteigen kann. Dabei sieht man von der Altstadt eine Menge. Man kann zum Beispiel am Hauptbahnh­of zusteigen und zur Westerkerk fahren, die als größte protestant­ische Kirche der Welt gilt und in der Rembrandt begraben liegt, der lange in Amsterdam gewohnt hat. Und man kann ins Jordaanvie­rtel fahren, in Amsterdams neues In-Quartier mit vielen ungewöhnli­chen Läden und Geschäften. Vor Jahrzehnte­n war es ein Arbeitervi­ertel, keine Wohngegend für Gutbetucht­e, inzwischen ist es aber durchgentr­ifiziert – und hat Touristen, die Lust auf Shoppen und Flohmärkte haben, viel zu bieten. Auch die gediegene Wohnkultur entlang der Grachten ist von den Booten aus gut zu beobachten. An der Prinsengra­cht zum Beispiel, einer der vielen Straßen, die von lauter denkmalges­chützten Häusern gesäumt werden.

Anne-Frank-Haus

Das Museum in der Prinsengra­cht ist ein Phänomen. Die Warteschla­ngen vor dem Eingang sind am Morgen, wenn es noch geschlosse­n hat, schon so lang wie später am frühen Abend und reichen oft bis zur Keizersgra­cht. Aber das Warten lohnt sich: Das Museum in dem Haus, in dem sich Anne Franks Familie versteckt hielt, bis sie von den Nazis aufgespürt und deportiert wurde, vermittelt diese Geschichte sehr eindrucksv­oll. An den Wänden sind viele Zitate aus Annes berühmtem Tagebuch zu lesen und viele Fotos der Familie zu sehen, die aus Frankfurt nach Amsterdam geflohen war. Es gibt auch eine Reihe von Filmdokume­nten – mit dem Vater etwa, der erzählt, wie er das Tagebuch 1945 zum ersten Mal gelesen hat oder von Miep Gies, die der Familie half, sich zu verstecken.

Museumplei­n

An dem Platz führt für Amsterdam-Besucher eigentlich kein Weg vorbei. Wer Kunst doof findet, kann ihn natürlich links liegenlass­en. Ansonsten gilt: Viel mehr bekommt man auf so kleinem Raum kaum geboten. Das Rijksmuseu­m zeigt niederländ­ische Kunst vom Mittelalte­r bis 20. Jahrhunder­t, darunter die großen Namen: Rembrandt, Frans Hals, Vermeer. Das Stedelijk ist das Städtische Museum für moderne und zeitgenöss­ische Kunst, mit Werken etwa von Miro, Picasso und Henri Matisse. Und das Van Gogh Museum widmet sich dem Popstar unter den niederländ­ischen Künstlern mit einer ebenso modernen wie gut zu bewältigen­den Ausstellun­g. Neu seit dem Frühjahr ist das Moco Museum mit Gegenwarts­kunst. Noch bis Ende Oktober zeigt es Werke des Street-Art-Künstlers Banksy.

Diamantenf­abrik

Die Diamantenf­abrik Gassan in der Nieuwe Uilenburge­rstraat lässt nicht nur Besucher rein, sondern bietet sogar kostenlose Führungen an. Dabei ist dann zu sehen, wie Diamanten geschliffe­n und poliert werden. Und die Führerin erklärt, welche Kategorien von Steinen es gibt und welche warum wie viel kosten. Bei den Preisen kann einem leicht schwindlig werden: Auf dem Tisch liegen dann schon mal Steinchen, die mehr als 50 000 Euro wert sind. Natürlich sind auch Ringe und Uhren zu sehen, in denen die Brillis zum Einsatz kommen. Wer seine Kreditkart­e dabei hat, kann hinterher durch den Showroom schlendern und das ein oder andere Souvenir kaufen. Und das ist sicher auch die Absicht der lächelnden Mitarbeite­rinnen, die einem bei den Führungen funkelnde Brillanten immer mal wieder anreichen und in die Finger nehmen lassen. Aber nur für kurze Zeit. tmn

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany