Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Handschlag – und der Kuhhandel war perfekt

Viehmärkte führten Bauern und Tiere zusammen und lockten auch immer viele Schaulusti­ge an

- VON JOSEF HÖLZLE

Unterallgä­u Das gesellscha­ftliche Leben und auch die Arbeitswel­t auf dem Lande sind seit Langem im Wandel. Waren einst Landwirtsc­haft und Viehzucht wichtige Le- so verlieren diese in unserer Zeit massiv an Bedeutung. Vor allem die Tierhaltun­g und Viehzucht bestimmten früher den Lebensallt­ag und das Auskommen der Familien. Zu einer Landwirtsc­haft gehörten vielerlei Tiere. Neben Hofhund und Hauskatze tummelten sich Hühner, Gänse, Tauben, Hasen, Schweine, Kühe, Kälber, Ochsen oder Schafe in den Ställen und bestimmten weitgehend den Arbeitstag der meist kleinen Landwirte.

Für die Tiere sorgte und erntete man, um von ihnen und mit ihnen existieren zu können. Ein Teil der Ernte ging allein für deren Unterhalt auf. Viele Tiere waren Nutztiere, andere wurden als Arbeitstie­re gebraucht und auch das Kleinvieh machte Mist. Irgendwann endeten die Viecher meist als Schlachtti­ere zum eigenen Verzehr oder als Handelsobj­ekt zum Verkauf. Welch ein Unglück oder Jammer, wenn ein Tier in der Familie verendete oder verunglück­te. Auch in der bäuerliche­n Sprache war das „Vieh“allgegenwä­rtig. Vom Federvieh bis zum Viehhirten, vom Viehtrieb bis zur Viehweide oder von der Viehwaage bis zur Viehseuche – das „Vieh“war überall. Folglich gab es in dieser bunten Welt der Tiere auch eigene Viehmärkte.

Diese waren als Treffpunkt für die Bauern und ihre Tiere ein Ereignis für das ganze Umland. Sie wurden in den Marktgemei­nden und Städten abgehalten, die dafür eine staatliche Genehmigun­g für bestimmte Markttermi­ne hatten. Das Marktrecht für Waren und Tiere war für einen Ort schon imbensgrun­dlagen, mer ein ökonomisch wichtiges Privileg.

Auf den Viehmärkte­n boten die Landwirte aus der ganzen Umgebung Tiere zum Verkauf oder zum Handel an. Andere wiederum – darunter auch Viehhändle­r – kamen, um ein Stück Vieh zu kaufen.

Da ging es dann unter den oft Hunderten von Besuchern recht bunt zu. Neben Schweinen wurden Kühe, Rinder, Ochsen und Stiere, mitunter auch Pferde „aufgetrieb­en“, wie man sagte. Sie wurden an dicken Stangen rund um den Standplatz angebunden. Die Tiere waren dann in Reih und Glied zur Besichtigu­ng, zur Prüfung und zum Handel frei gegeben. „Was hat die Kuh für ein Euter? Wie viel Milch gibt sie? Wie sind die Hörner? „Koppt“die Kuh und zieht der Ochse auch gut?“All diese und viele andere Fragen wurden diskutiert. Erfahrene Bauern vertrauten mehr ihrer Tier-Kenntnis als den Versprechu­ngen der Viehhändle­r und gewerblich­en Verkäufer. So wurden Gebisse geprüft, die Hüften abgeklopft und das Rindvieh rundum begutachte­t und betatscht. Andere schauten nach Anstellsch­weinen in großen Kisten oder nach einem kräftigen Mutterschw­ein. Per Handschlag wurde die „Handelscha­ft“beschlosse­n und das Geld in bar übergeben. So wurden an einem Viehmarktt­ag nicht nur Tiere, sondern auch viele Scheine hin und her geschoben. Mancher davon landete bald darauf in den Händen vom örtlichen Gastwirt. Dort ging es nämlich an Viehmarktt­agen meist munter zu, gehörte doch das Einkehren zum Marktbesuc­h.

Auch im Unterallgä­u besaßen die Stadt Mindelheim und einige Marktgemei­nden alte Rechte, eigene Viehmärkte abhalten zu dürfen. Eine zentrale Funktion hatte dabei traditione­ll Pfaffenhau­sen, dessen Viehmärkte überregion­al bekannt waren. Hier kamen die Käufer bis von Kempten, Augsburg oder sogar von München. Mitte des 19. Jahrhunder­ts wurden in Pfaffenhau­sen pro Jahr 1400 Stück Großvieh aufgetrieb­en. An einem Markttag waren dies also 200 bis 300 Tiere.

Während im Fuggermark­t Kirchheim der Viehmarkt wegen „Mangel an Zutrieb“um das Jahr 1885 herum einging, wurde dem Markt Pfaffenhau­sen sogar genehmigt, jeden Monat einen Viehmarkt auf dem Platz östlich der Kreuzwirts­chaft abhalten zu dürfen.

1885 erließ die Gemeinde eine neue „Viehmarkt-Ordnung“, um den Andrang zu regeln. Dazu gehörte die Vorschrift, „nur gesundes und keinerlei krankheits­verdächtig­es Vieh zum Markt zu bringen“, das am Eingang von einem Tierarzt kostenlos untersucht wurde. Zugelassen waren: Ochsen, Stiere, Kühe, Rinder und Schweine. Pferde wurden damals nicht gehandelt.

Die Marktgebüh­ren waren seinerzeit relativ gering. Für einen Ochsen oder ein Rind waren 20 Pfennig und für ein Schwein drei Pfennig an den Marktmeist­er zu bezahlen. Eine Kuh hatte zu dieser Zeit einen Handelswer­t zwischen 130 und 190 Mark, ein schöner Ochse brachte dem Besitzer schon bis zu 320 Mark. Es war die Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunder­ts, als ein Knecht so um die 150 Mark pro Jahr verdiente.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Bedeutung der Viehmärkte wegen des Strukturwa­ndels und auch wegen anderer Vermarktun­gsformen laufend zurück. Zuletzt gab es nur noch kleinere Schweinemä­rkte. In Pfaffenhau­sen zum Beispiel nahm der Marktmeist­er beim Viehmarkt am 16. Januar 1957 gerade noch 80 Pfennig an Gebühren ein.

Die Viehmärkte in unserer Region gingen in den 1960-er Jahren ein. Heute erinnert in manchem Ort lediglich noch der Name „Viehmarktp­latz“an diese Ära.

 ?? Fotos: Archiv Hölzle ?? Noch bis in die 1950er-Jahre fanden in Pfaffenhau­sen Viehmärkte statt. Doch wie unser Bild zeigt, ließ die große Anziehungs­kraft damals schon nach.
Fotos: Archiv Hölzle Noch bis in die 1950er-Jahre fanden in Pfaffenhau­sen Viehmärkte statt. Doch wie unser Bild zeigt, ließ die große Anziehungs­kraft damals schon nach.
 ??  ?? Keine Angst vor großen Tieren: Für die Landkinder waren es besondere Tage, wenn sie die Erwachsene­n auf den Viehmarkt begleiten durften.
Keine Angst vor großen Tieren: Für die Landkinder waren es besondere Tage, wenn sie die Erwachsene­n auf den Viehmarkt begleiten durften.
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Besucher mussten bei den meisten Viehmärkte­n Eintritt zahlen.

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