Mittelschwaebische Nachrichten
Ein Handschlag – und der Kuhhandel war perfekt
Viehmärkte führten Bauern und Tiere zusammen und lockten auch immer viele Schaulustige an
Unterallgäu Das gesellschaftliche Leben und auch die Arbeitswelt auf dem Lande sind seit Langem im Wandel. Waren einst Landwirtschaft und Viehzucht wichtige Le- so verlieren diese in unserer Zeit massiv an Bedeutung. Vor allem die Tierhaltung und Viehzucht bestimmten früher den Lebensalltag und das Auskommen der Familien. Zu einer Landwirtschaft gehörten vielerlei Tiere. Neben Hofhund und Hauskatze tummelten sich Hühner, Gänse, Tauben, Hasen, Schweine, Kühe, Kälber, Ochsen oder Schafe in den Ställen und bestimmten weitgehend den Arbeitstag der meist kleinen Landwirte.
Für die Tiere sorgte und erntete man, um von ihnen und mit ihnen existieren zu können. Ein Teil der Ernte ging allein für deren Unterhalt auf. Viele Tiere waren Nutztiere, andere wurden als Arbeitstiere gebraucht und auch das Kleinvieh machte Mist. Irgendwann endeten die Viecher meist als Schlachttiere zum eigenen Verzehr oder als Handelsobjekt zum Verkauf. Welch ein Unglück oder Jammer, wenn ein Tier in der Familie verendete oder verunglückte. Auch in der bäuerlichen Sprache war das „Vieh“allgegenwärtig. Vom Federvieh bis zum Viehhirten, vom Viehtrieb bis zur Viehweide oder von der Viehwaage bis zur Viehseuche – das „Vieh“war überall. Folglich gab es in dieser bunten Welt der Tiere auch eigene Viehmärkte.
Diese waren als Treffpunkt für die Bauern und ihre Tiere ein Ereignis für das ganze Umland. Sie wurden in den Marktgemeinden und Städten abgehalten, die dafür eine staatliche Genehmigung für bestimmte Markttermine hatten. Das Marktrecht für Waren und Tiere war für einen Ort schon imbensgrundlagen, mer ein ökonomisch wichtiges Privileg.
Auf den Viehmärkten boten die Landwirte aus der ganzen Umgebung Tiere zum Verkauf oder zum Handel an. Andere wiederum – darunter auch Viehhändler – kamen, um ein Stück Vieh zu kaufen.
Da ging es dann unter den oft Hunderten von Besuchern recht bunt zu. Neben Schweinen wurden Kühe, Rinder, Ochsen und Stiere, mitunter auch Pferde „aufgetrieben“, wie man sagte. Sie wurden an dicken Stangen rund um den Standplatz angebunden. Die Tiere waren dann in Reih und Glied zur Besichtigung, zur Prüfung und zum Handel frei gegeben. „Was hat die Kuh für ein Euter? Wie viel Milch gibt sie? Wie sind die Hörner? „Koppt“die Kuh und zieht der Ochse auch gut?“All diese und viele andere Fragen wurden diskutiert. Erfahrene Bauern vertrauten mehr ihrer Tier-Kenntnis als den Versprechungen der Viehhändler und gewerblichen Verkäufer. So wurden Gebisse geprüft, die Hüften abgeklopft und das Rindvieh rundum begutachtet und betatscht. Andere schauten nach Anstellschweinen in großen Kisten oder nach einem kräftigen Mutterschwein. Per Handschlag wurde die „Handelschaft“beschlossen und das Geld in bar übergeben. So wurden an einem Viehmarkttag nicht nur Tiere, sondern auch viele Scheine hin und her geschoben. Mancher davon landete bald darauf in den Händen vom örtlichen Gastwirt. Dort ging es nämlich an Viehmarkttagen meist munter zu, gehörte doch das Einkehren zum Marktbesuch.
Auch im Unterallgäu besaßen die Stadt Mindelheim und einige Marktgemeinden alte Rechte, eigene Viehmärkte abhalten zu dürfen. Eine zentrale Funktion hatte dabei traditionell Pfaffenhausen, dessen Viehmärkte überregional bekannt waren. Hier kamen die Käufer bis von Kempten, Augsburg oder sogar von München. Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in Pfaffenhausen pro Jahr 1400 Stück Großvieh aufgetrieben. An einem Markttag waren dies also 200 bis 300 Tiere.
Während im Fuggermarkt Kirchheim der Viehmarkt wegen „Mangel an Zutrieb“um das Jahr 1885 herum einging, wurde dem Markt Pfaffenhausen sogar genehmigt, jeden Monat einen Viehmarkt auf dem Platz östlich der Kreuzwirtschaft abhalten zu dürfen.
1885 erließ die Gemeinde eine neue „Viehmarkt-Ordnung“, um den Andrang zu regeln. Dazu gehörte die Vorschrift, „nur gesundes und keinerlei krankheitsverdächtiges Vieh zum Markt zu bringen“, das am Eingang von einem Tierarzt kostenlos untersucht wurde. Zugelassen waren: Ochsen, Stiere, Kühe, Rinder und Schweine. Pferde wurden damals nicht gehandelt.
Die Marktgebühren waren seinerzeit relativ gering. Für einen Ochsen oder ein Rind waren 20 Pfennig und für ein Schwein drei Pfennig an den Marktmeister zu bezahlen. Eine Kuh hatte zu dieser Zeit einen Handelswert zwischen 130 und 190 Mark, ein schöner Ochse brachte dem Besitzer schon bis zu 320 Mark. Es war die Zeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als ein Knecht so um die 150 Mark pro Jahr verdiente.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Bedeutung der Viehmärkte wegen des Strukturwandels und auch wegen anderer Vermarktungsformen laufend zurück. Zuletzt gab es nur noch kleinere Schweinemärkte. In Pfaffenhausen zum Beispiel nahm der Marktmeister beim Viehmarkt am 16. Januar 1957 gerade noch 80 Pfennig an Gebühren ein.
Die Viehmärkte in unserer Region gingen in den 1960-er Jahren ein. Heute erinnert in manchem Ort lediglich noch der Name „Viehmarktplatz“an diese Ära.