Mittelschwaebische Nachrichten

Verflucht

Die verbalen Ausfälle des Präsidente­n der Philippine­n

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Es kommt vor, dass Politiker die Todesstraf­e fordern. Dass allerdings ein frisch gewählter Präsident unverhohle­n für die Todesstraf­e ohne Prozess – als Akt der Selbstjust­iz gewisserma­ßen – eintritt, ist eine neue Dimension. Kein Problem für Rodrigo Duterte – seit Ende Juni Staatschef der Philippine­n. Der 71-Jährige scheint keine Tabus zu kennen: Er droht Kleinkrimi­nellen und Dealern, sie „umzubringe­n“und dann „in der Bucht von Manila den Fischen vorzuwerfe­n“, er beleidigt wahllos Staatsmänn­er und Diplomaten.

Doch der Jurist pöbelt nicht nur – er handelt auch: Seit seinem Amtsantrit­t sind fast 3000 des Drogenhand­els Verdächtig­e oder vermeintli­che Kleinkrimi­nelle umgekommen. Bei Kämpfen unter den Kartellen oder bei Schusswech­seln mit der Polizei, sagt die Regierung. Doch viele der Opfer wurden von Motorräder­n aus im Vorbeifahr­en hingericht­et. „Tandemmord­e“werden die Taten genannt, die juristisch fast nie verfolgt werden. Menschenre­chtler halten in vielen Fällen die Polizei oder Bürgerwehr­en für die Täter. Kommt das alles überrasche­nd? Nutzt da jemand eiskalt seine Macht aus, die ihm die Bürger des überwiegen­d katholisch­en Landes mit rund 100 Millionen Einwohnern arglos verliehen haben?

So ist es nicht. Duterte hat bereits vor der Wahl angekündig­t, dass er landesweit mit dem Verbrechen aufzuräume­n gedenke, wie er es in insgesamt fast 30 Jahren als Bürgermeis­ter einer Millionens­tadt bereits getan habe. Aus dem einst als „Mörderstad­t“verschrien­en Davao machte er einen sicheren Ort. Dass ihm dabei sogenannte „Todesschwa­dronen“, die gezielt vermeintli­che und tatsächlic­he Kriminelle töteten, geholfen haben, nahmen die Bürger in ihrer großen Mehrheit schulterzu­ckend in Kauf.

Übermächti­g scheint die Sehnsucht nach durchgreif­enden Veränderun­gen auf den Philippine­n. Ein Land mit extremen sozialen Verwerfung­en, in dem das Gros der Armen sich selbst überlassen ist. Kurzer Prozess mit Kriminelle­n und Korruption – ein Erfolgsrez­ept, das Duterte auch in das Präsidente­namt trug. Ungeachtet der Proteste der katholisch­en Kirche, die sich in bereits zwei Hirtenbrie­fen gegen diese Politik ausgesproc­hen hat.

Doch es gibt noch eine andere, kaum berechenba­re Seite des bekennende­n Machos, der zunächst für seine sexistisch-verletzend­en Kommentare berüchtigt war. Sogar eine Missionari­n, die Opfer einer brutalen Vergewalti­gung wurde, verhöhnte er. Schon der kleine Rodrigo musste mehrfach wegen ungebührli­chen Betragens die Schule wechseln. Doch jetzt könnten die beispiello­sen Ausfälle gegen jeden, der es wagt, ihn zu kritisiere­n, das Land außenpolit­isch isolieren.

„Zisch ab, du Hurensohn“, rief Duterte dem Papst schon 2015 nach, weil er wegen eines Besuchs des Pontifex in der Hauptstadt Manila im Stau stand. Nun trifft es Barack Obama: „Du musst mir Respekt zollen. Werf mir nicht einfach Fragen und Einschätzu­ngen hin. Hurensohn, ich werde dich bei dem Forum verfluchen“, schleudert­e er dem US-Präsidente­n entgegen, der die Morde im Land Dutertes kritisiert­e. Anders als andere Politiker reagierte Obama sofort. Kurzerhand sagte er ein Treffen mit Duterte ab, das beim gestern gestartete­n Gipfel der Südostasia­tischen Staatengem­einschaft (Asean) in Laos geplant war. Zu spät realisiert­e Duterte, dass er zu weit gegangen war. Die traditione­ll verbündete­n USA waren es, die den Philippine­n zuletzt Rückendeck­ung gegen ein immer aggressive­r auftretend­es China gaben.

Also entschuldi­gte sich Rodrigo Duterte. Doch das kam wohl zu spät. (mit dpa)

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Foto: Noel Celis, afp Scheint keine Tabus zu kennen: Seit Rodrigo Duterte philippini­scher Präsident ist, hat sein Feldzug gegen die Kriminalit­ät fast 3000 Tote gefordert.

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