Mittelschwaebische Nachrichten
Verflucht
Die verbalen Ausfälle des Präsidenten der Philippinen
Augsburg Es kommt vor, dass Politiker die Todesstrafe fordern. Dass allerdings ein frisch gewählter Präsident unverhohlen für die Todesstrafe ohne Prozess – als Akt der Selbstjustiz gewissermaßen – eintritt, ist eine neue Dimension. Kein Problem für Rodrigo Duterte – seit Ende Juni Staatschef der Philippinen. Der 71-Jährige scheint keine Tabus zu kennen: Er droht Kleinkriminellen und Dealern, sie „umzubringen“und dann „in der Bucht von Manila den Fischen vorzuwerfen“, er beleidigt wahllos Staatsmänner und Diplomaten.
Doch der Jurist pöbelt nicht nur – er handelt auch: Seit seinem Amtsantritt sind fast 3000 des Drogenhandels Verdächtige oder vermeintliche Kleinkriminelle umgekommen. Bei Kämpfen unter den Kartellen oder bei Schusswechseln mit der Polizei, sagt die Regierung. Doch viele der Opfer wurden von Motorrädern aus im Vorbeifahren hingerichtet. „Tandemmorde“werden die Taten genannt, die juristisch fast nie verfolgt werden. Menschenrechtler halten in vielen Fällen die Polizei oder Bürgerwehren für die Täter. Kommt das alles überraschend? Nutzt da jemand eiskalt seine Macht aus, die ihm die Bürger des überwiegend katholischen Landes mit rund 100 Millionen Einwohnern arglos verliehen haben?
So ist es nicht. Duterte hat bereits vor der Wahl angekündigt, dass er landesweit mit dem Verbrechen aufzuräumen gedenke, wie er es in insgesamt fast 30 Jahren als Bürgermeister einer Millionenstadt bereits getan habe. Aus dem einst als „Mörderstadt“verschrienen Davao machte er einen sicheren Ort. Dass ihm dabei sogenannte „Todesschwadronen“, die gezielt vermeintliche und tatsächliche Kriminelle töteten, geholfen haben, nahmen die Bürger in ihrer großen Mehrheit schulterzuckend in Kauf.
Übermächtig scheint die Sehnsucht nach durchgreifenden Veränderungen auf den Philippinen. Ein Land mit extremen sozialen Verwerfungen, in dem das Gros der Armen sich selbst überlassen ist. Kurzer Prozess mit Kriminellen und Korruption – ein Erfolgsrezept, das Duterte auch in das Präsidentenamt trug. Ungeachtet der Proteste der katholischen Kirche, die sich in bereits zwei Hirtenbriefen gegen diese Politik ausgesprochen hat.
Doch es gibt noch eine andere, kaum berechenbare Seite des bekennenden Machos, der zunächst für seine sexistisch-verletzenden Kommentare berüchtigt war. Sogar eine Missionarin, die Opfer einer brutalen Vergewaltigung wurde, verhöhnte er. Schon der kleine Rodrigo musste mehrfach wegen ungebührlichen Betragens die Schule wechseln. Doch jetzt könnten die beispiellosen Ausfälle gegen jeden, der es wagt, ihn zu kritisieren, das Land außenpolitisch isolieren.
„Zisch ab, du Hurensohn“, rief Duterte dem Papst schon 2015 nach, weil er wegen eines Besuchs des Pontifex in der Hauptstadt Manila im Stau stand. Nun trifft es Barack Obama: „Du musst mir Respekt zollen. Werf mir nicht einfach Fragen und Einschätzungen hin. Hurensohn, ich werde dich bei dem Forum verfluchen“, schleuderte er dem US-Präsidenten entgegen, der die Morde im Land Dutertes kritisierte. Anders als andere Politiker reagierte Obama sofort. Kurzerhand sagte er ein Treffen mit Duterte ab, das beim gestern gestarteten Gipfel der Südostasiatischen Staatengemeinschaft (Asean) in Laos geplant war. Zu spät realisierte Duterte, dass er zu weit gegangen war. Die traditionell verbündeten USA waren es, die den Philippinen zuletzt Rückendeckung gegen ein immer aggressiver auftretendes China gaben.
Also entschuldigte sich Rodrigo Duterte. Doch das kam wohl zu spät. (mit dpa)