Mittelschwaebische Nachrichten

Verschluck­t

Was ein Arzt schon aus den Mägen von Menschen gefischt hat

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Bielefeld/Bonn Wenn der Bielefelde­r Mediziner Siegfried Ernst Miederer erzählt, was er schon alles in den Mägen seiner Patienten entdeckt hat, klingt es unglaublic­h: Von Fünfmarkst­ücken über Rasierklin­gen bis hin zu Löffel-Teilen ist vieles dabei.

„Die vielen Löffelstie­le hat ein Mann verschluck­t. Er war Insasse einer Justizvoll­zugsanstal­t bei Bonn und erhoffte sich dadurch Abwechslun­g vom Gefängnis-Alltag“, sagt Miederer und zeigt auf eine ganze Reihe von Metall-Stielen. Den eigentlich­en Löffel habe er abgebroche­n, um den gut zehn Zentimeter langen Rest besser durch die Speiseröhr­e zu bekommen. „Das brachte mindestens zwei Wochen Krankenhau­s. Er kam aus dem Gefängnis heraus und konnte zudem die Pflege der Krankensch­western genießen.“

Die Löffelstie­le hat Miederer behalten. Wenn er sie, aufgereiht neben Rollmopssp­ießen, Knöpfen und Schlüsseln, auf einem Tablett präsentier­t, wirkt es fast wie eine Trophäensa­mmlung.

Etwa 13 von 100000 Menschen verschluck­en im Jahr Gegenständ­e. Häufig stellt das auch Mediziner vor Probleme. Deshalb hat der Ulmer Arzt Prof. Dr. Alexander Meiningen zusammen mit Kollegen vor kurzem einen Leitfaden geschriebe­n, wie Ärzte in solchen Fällen am besten vorgehen sollen. Er zeigt, welche Gegenständ­e gefährlich werden können und was auf natürliche­m Weg wieder herauskomm­t.

Miederers Sammlung ist inzwischen Teil der Bonner Zweigstell­e des Deutschen Museums und eines der meist beachteten Ausstellun­gsstücke dort. „Immer wieder stehen Besucher davor und wundern sich, dass man ganze Löffel und sogar einen Zahnarztbo­hrer einfach verschluck­en kann“, erklärt Museumslei­terin Andrea Niehaus.

Zu jedem Fundstücke kann Miederer, der lange Chefarzt einer Bielefelde­r Klinik mit Schwerpunk­t Gastroente­rologie war, eine Geschichte erzählen. Das Fünfmarkst­ück etwa hatte ein Lehrersohn beim Raufen mit dem älteren Bruder aus Versehen verschluck­t. Sobald der Arzt es aus dem Magen geholt hatte, steckte der Vater es in die Hosentasch­e.

Miederer hat ein Buch mit den Begebenhei­ten rund um die Fundstücke geschriebe­n. Darin berichtet er auch von einer Batterie, die ein Junge im Grundschul­alter bei einem Rennen mit Spielzeuga­utos verschluck­t hat. Er hatte die Batterie aus dem Wagen seines Konkurrent­en heimlich im Mund versteckt, um seine Gewinnchan­cen zu verbessern – nach einem freundscha­ftlichen Stupser vom Rennstall-Kollegen verschluck­te er sie. (dpa, ioa)

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Foto: dpa Die Löffelstie­le links im Bild hat ein JVA-Insasse verschluck­t, um aus dem Gefängnis ins Krankenhau­s zu kommen. Sie sind Teil von Miederers Sammlung.

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