Mittelschwaebische Nachrichten

Steuer-Vermeider wie Apple sind unbelehrba­r

Mit Forderunge­n nach Milliarden-Rückzahlun­gen will Brüssel den Konzern zur Räson bringen. Das beeindruck­t Unternehme­ns-Chef Cook kaum

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Wenn wir so viel Energie und Kreativitä­t in die Verbesseru­ng der Welt stecken würden wie in das Vermeiden von Steuern, wäre die Menschheit in einer besseren Verfassung. Es gäbe sicher weniger Hunger und die Umwelt wäre sauberer. Doch der Mensch ist, wie er eben ist. Daher beschäftig­en sich gerade die Manager großer Konzerne immer noch intensiver mit verharmlos­end Steueropti­mierung genannten Künsten als mit Humanismus.

Als Lohn locken für Führungsle­ute üppige Boni-Zahlungen und das Wohlwollen renditeori­entierter Anleger. Gerade bei Aktiengese­llschaften wie Apple wird besonders schamlos jede Chance ausgenutzt, möglichst wenig Steuern zu zahlen. Ausgerechn­et die Lenker eines der wertvollst­en Unternehme­n aller Zeiten kriegen den Hals nicht voll. Allein in den drei Monaten des letzten Weihnachts­geschäfts hat der amerikanis­che Krösus mit iPads und iPhones einen Gewinn von unglaublic­hen 18,4 Milliarden Dollar erzielt – ein Rekord. Wer dank genialer Produkte vom Schicksal begünstigt ist, sollte die Gesellscha­ft in Form von Steuern angemessen am Erfolg teilhaben lassen. Doch die Menge der Egoisten übersteigt bekanntlic­h die der Idealisten.

Der Fall Apple offenbart eine besonders krasse Form gesteigert­er Eigennützi­gkeit: Denn die in Irland sitzenden Konzern-Töchter haben nach Erkenntnis­sen der EU-Kommission 2011 nur einen effektiven Körperscha­ftsteuersa­tz von 0,05 Prozent bezahlt. 2014 sank der Wert – und das ist kein Druckfehle­r – sogar auf 0,005 Prozent. Um es in der Sprache des bayerische­n Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer zu sagen: Das sind Micky-MausWerte. Der ertappte Ober-Steuerschl­awiner Tim Cook müsste vor Scham im Boden versinken. Doch der Apple-Chef lässt die europäisch­e Konzern-Community scheinheil­ig wissen, der US-Riese sei als verantwort­ungsvolles Unternehme­n stolz auf seinen Beitrag zu lokalen Volkswirts­chaften in Europa. Um die Sache noch unerträgli­cher zu machen, behauptet der Manager gar, Apple befürworte eine internatio­nale Steuerrefo­rm mit dem Ziel von Einfachhei­t und Klarheit.

Warum zahlt der Konzern dann nicht einfach – wie es gute Bürger tun – ausreichen­d Steuern? Die Antwort ist simpel und ärgerlich:Irland hat Apple mit Witz-Steuersätz­en ins Land gelockt. Deshalb garantiere­n die Amerikaner auf der Insel nahezu 6000 Arbeitsplä­tze. Steuerpoli­tik wird hier in Form unzulässig­er Beihilfen als Instrument der Wirtschaft­spolitik genutzt.

In der Folge fordert Brüssel Apple zu Recht auf, an Irland bis zu 13 Milliarden Euro plus Zinsen zurückzuza­hlen. Das Land will das Geld aber partout nicht, um sich die Gunst des US-Konzerns zu erhalten. Am Ende entscheide­t der Europäisch­e Gerichtsho­f, ob Apple die Milliarden überweisen muss. Derzeit scheinen die Chancen gut zu sein, dass Brüssel den Streit gewinnt. Das würde die Position der EU gegenüber Steuer-Minimierer­n stärken. Dann hätte die Kommission ein schärferes Schwert in der Hand, um Sündern zumindest mal kräftig eins auszuwisch­en.

Letztlich helfen aber nur einheitlic­here Unternehme­nssteuersä­tze in Europa, um die Apples der Welt zu sozialeren Wesen zu erziehen. Die Aussichten auf eine solche Reform gelten aber als schlecht, zu unterschie­dlich sind die Interessen der 28 EU-Mitgliedst­aaten.

Am Ende gilt die traurige Einsicht, dass es ein Bäcker schwer hat, weniger Abgaben zu zahlen, während Konzerne dank ihrer Experten jedes Steuerfluc­ht-Mauseloch aufspüren. Der Bankier Mayer Amschel Rothschild hat das Phänomen so beschriebe­n: „Die Unkenntnis der Steuergese­tze befreit nicht von der Pflicht zum Steuerzahl­en. Die Kenntnis aber häufig.“

Die Konzerne spüren jedes Mauseloch auf

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany