Mittelschwaebische Nachrichten
Wie Merkel die CSU zum Verzweifeln bringt
Die jüngste Wahlniederlage verschärft die Krise der Union. Der Chef der CSU im Landtag, Thomas Kreuzer, fordert eine weitere Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik. Eine offene Rebellion scheint nicht mehr weit
München Die CSU scheint der Verzweiflung nahe. Nach dem Wahlerfolg der AfD in Mecklenburg-Vorpommern haben führende CSU-Politiker in Bayern ihre Kritik an der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal verschärft. Nach Parteichef Horst Seehofer und Finanzminister Markus Söder ging gestern auch der Chef der CSU-Fraktion im Landtag, Thomas Kreuzer, mit der CDUChefin hart ins Gericht. Er forderte dringend eine weitere Kurskorrektur in der Asylpolitik: Es müsse eine Obergrenze für Flüchtlinge gelten. Sobald sie erreicht sei, müssten die Grenzübergänge lückenlos kontrolliert und Flüchtlinge zurückgewiesen werden. Und es müsse schnell gehen. „Wenn die Zahlen jetzt wieder deutlich steigen, müssen wir das in diesem Jahr noch machen“, sagte Kreuzer.
Der Aufstieg der AfD hat nach Kreuzers Ansicht eine eindeutige Ursache: „Sie prangert Entwicklun- gen an, die einem großen Teil der Bevölkerung nicht gefallen.“Es sei klar, dass es sich, wenn 20,8 Prozent der Wähler in Mecklenburg-Vorpommern der AfD ihre Stimme geben, dabei „keineswegs nur um Rechtsradikale handeln kann“. Das Wahlergebnis sei bitter für die CDU, aber auch für alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Die Grünen zum Beispiel hätten in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur die Hälfte ihrer Wähler verloren, sondern seien sogar aus dem Landtag geflogen. Es treffe alle, die mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin in Verbindung gebracht werden. Dieser Trend, der sich schon länger zeige, sei ungebrochen. „Das muss allen insgesamt zu denken geben“, sagte Kreuzer. Nach seiner Auffassung kann sich durch das Wahlergebnis nur die CSU „in ihrem Kurs bestätigt fühlen“.
Das Beispiel Österreich zeige, wo diese Entwicklung enden könne. Dort könnten möglicherweise nicht einmal mehr ÖVP, SPÖ und Grüne gemeinsam einen Bundespräsiden- ten der rechtspopulistischen FPÖ verhindern. Ähnliche Entwicklungen gebe es in Frankreich und den Niederlanden. Deshalb müsse dringend umgesteuert werden. Nur Worte reichten da nicht aus, es müssten konkrete Taten folgen.
Die Frage, ob CDU und CSU eine Kurskorrektur mit Merkel als Kanzlerin schaffen können, beantwortete Kreuzer mit dem Satz: „Ich traue ihr zu, dass sie das macht, aber ob die Bürger das akzeptieren, muss man erst sehen.“Die vergangenen Kurskorrekturen der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik hätten „durchaus noch deutlicher ausfallen“können. „Die Aussage ,Wir schaffen das‘ hat daran gekrankt, dass niemand gesagt hat, was wir schaffen und wie wir es schaffen“, sagte Kreuzer. Nun komme es darauf an, nicht länger drum herum zu reden. Zu sagen, es sei alles prima, bringe „die Leute zur Weißglut“.
Ähnlich scharf hatten sich zuvor bereits Seehofer und Söder geäußert. „Die Lage für die Union ist höchst bedrohlich“, die Menschen wollten „diese Berliner Politik nicht“, sagte der CSU-Chef der Süddeutschen Zeitung. Seine „mehrfache Aufforderung zur Kurskorrektur“in der Flüchtlingspolitik sei nicht aufgenommen worden, das „desaströse“Wahlergebnis sei die Folge davon. Söder forderte in den ARD-Tagesthemen: „Aus einem ,Wir schaffen das‘ sollte eher ein ,Wir haben verstanden und ändern das‘ werden.“Auch er sprach sich erneut für eine Obergrenze für Flüchtlinge sowie für wirksame Kontrollen aus.
Als offene Rebellion gegen Merkel wollen die CSU-Politiker ihre Kritik allerdings nicht verstanden wissen. Kreuzer zeigte sich zuversichtlich, dass in den vereinbarten Gesprächen zwischen CDU und CSU Fortschritte erzielt werden können: „Ich gehe davon aus, dass wir entscheidend weiterkommen können.“Die CSU habe bereits in der Vergangenheit Korrekturen erreicht. „Natürlich hoffen wir und gehen davon aus, dass wir uns in der Angelegenheit Schritt für Schritt durchsetzen“, sagte Kreuzer. Und Seehofer versicherte, die CSU wolle weiter „konstruktive Politik für Deutschland“machen. Zu seinem Verhältnis zur Kanzlerin sagte er: „Wir reden immer.“
CDU-Generalsekretär Peter Tauber reagierte auf die Kritik aus der CSU mit der Forderung nach Solidarität: „Unsere Anhänger und Mitglieder – gerade auch diejenigen, die derzeit in Niedersachsen und Berlin Wahlkampf machen – erwarten von der Union vor allem eines: Geschlossenheit.“
Wie es weitergeht, wird sich schon in den nächsten Tagen zeigen. Heute spricht die Kanzlerin im Bundestag. Am Wochenende trifft sich der CSU-Vorstand zu einer Klausur. (mit dpa)
„Zu sagen, es sei alles prima, bringt die Leute zur Weißglut.“Thomas Kreuzer, Chef der Landtags-CSU