Mittelschwaebische Nachrichten
Bundeswehr baut in der Türkei
Trotz des Konflikts mit der Regierung in Ankara fließen 58 Millionen Euro in den Luftwaffenstützpunkt Incirlik
Berlin Der Termin steht. Und daran wird auch nicht gerüttelt. Am Dienstag, den 4. Oktober, will eine Delegation des Verteidigungsausschusses des Bundestags in die Türkei fliegen. Dort wollen die Abgeordneten die rund 250 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr besuchen, die seit Januar auf dem NatoLuftwaffenstützpunkt Incirlik nahe der Grenze zu Syrien stationiert sind. Das Problem: Noch immer warten sie auf eine Besuchserlaubnis der türkischen Regierung.
Seit dem 2. Juni, dem Tag, an dem der Deutsche Bundestag eine Resolution verabschiedete, in der das Massaker an den Armeniern im Jahr 1915 durch das damalige Osmanische Reich als Völkermord bezeichnet wurde, verweigert Ankara allen Parlamentariern ein Gespräch mit den Bundeswehrsoldaten. Lediglich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen durfte zwischenzeitlich einmal – allerdings ohne Begleiter – den Stützpunkt besuchen.
Im Gegenzug hatte die SPD gedroht, das im Dezember auslaufende Mandat der Bundeswehr nicht zu verlängern, die Soldaten aus der Türkei abzuziehen und die sechs Aufklärungsjets vom Typ „Tornado“, mit denen der Luftraum über Syrien und dem Nordirak überwacht und Stellungen des IS erkundet werden, stattdessen auf Zypern oder in Jordanien zu stationieren.
Nun scheint Bewegung in die festgefahrene Angelegenheit zu kommen. Gestern bestätigte ein Sprecher der Verteidigungsministerin einen Bericht des Spiegel, wonach Verteidigungsstaatssekretär Gerd Hoofe 58 Millionen Euro aus dem Wehretat für Investitionen in Incirlik freigegeben habe. Ein entsprechendes Protokoll zwischen der deutschen und der türkischen Regierung sei ausverhandelt, aber noch nicht unterzeichnet. Geplant ist, für 26 Millionen Euro ein Flugfeld für die „Tornados“sowie Unterkünfte für die Soldaten und ein Stabsgebäude zu bauen. Weitere 30 Millionen Euro sind für einen mobilen Gefechtsstand vorgesehen, zudem werden zwei Millionen Euro für das Fundament des Gefechtsstands benötigt. Offiziell hieß es im Verteidigungsministerium, dass dies noch keine Vorentscheidung über die weitere Stationierung des deutschen Kontingents in der multinationalen Anti-IS-Koalition bedeute. Der Kauf des mobilen Gefechtsstands sei unabhängig vom Einsatz in Incirlik nötig, das Gerät könne jederzeit wieder abgebaut und an einen anderen Standort verlegt werden.
Allerdings verlautete aus Koalitionskreisen, dass die Investitionen ein klares Signal seien, dass sich die Bundeswehr auf einen längeren Einsatz in Incirlik einrichte. „Wenn man im Dezember abzieht, gibt man nicht im September noch 58 Millionen Euro aus“, sagte ein Verteidigungsexperte unserer Zeitung.