Mittelschwaebische Nachrichten
„Auch wenn man alt ist, wird man gebraucht“
Hubert Stärker war lange Arbeitgeber-Chef in Bayern und führte ein weltweit tätiges Abgas-Reinigungsunternehmen. Heute wird der Augsburger 80 und arbeitet immer noch
Herr Stärker, wie geht es Ihnen? Stärker: Es geht mir gesundheitlich relativ gut. Wenn man wie ich alt geworden ist, sollte man nicht glauben, dass man nicht mehr gebraucht wird. Da machen viele einen Fehler. Ich schaue immer in die Zukunft.
Was treibt Sie um? Stärker: Ich mache mir Gedanken über unser Bildungssystem. Ich sehe es für die Region als wichtig an, dass wir in Gersthofen bei Augsburg eine internationale Schule samt Vorschule haben, in der schon die vier- bis sechsjährigen Kinder Englisch sprechen lernen. Für diese Einrichtung habe ich mich als Chef des Augsburger Abgasreinigungs–Unternehmens Zeuna Stärker, das wir ja verkauft haben, eingesetzt.
Was hat Sie dazu motiviert? Stärker: Ich hatte weltweit Tochterfirmen wie in Italien, Ungarn, Südafrika und den USA gegründet. Wir haben wichtige Mitarbeiter aus dem Ausland zu uns nach Augsburg geholt, um sie so gut auszubilden, dass sie in ihrem Heimatland für uns erfolgreich arbeiten können. Seit jeher war ich der Auffassung, dass man Familien nicht auseinanderreißen sollte. Deswegen habe ich dafür gesorgt, dass diese Mitarbeiter ihre Familien zu uns nach Augsburg mitgebracht haben. Da lag dann der Einsatz für internationale Bildungseinrichtungen nahe. Denn solche Schulen sind eine Voraussetzung dafür, dass eine Region wie Augsburg von der Globalisierung profitiert. Und ich habe einen Lehrstuhl für Maschinenbau an der Hochschule der Bayerischen Wirtschaft gespendet. Dort können Menschen auch ohne Abitur durch fachliche Qualifikation wie eine abgeschlossene Lehre oder einen Meisterbrief studieren.
Ist es nicht übertrieben, wenn die Kleinen so früh Englisch lernen? Werden hier zu stark Interessen der Wirtschaft im Bildungsbereich durchgesetzt? Stärker: Im Gegenteil: Deutsch lernen sie ja zu Hause. In einer globalisierten Welt kann es nicht schaden, früh die Sprache der Globalisierung zu lernen. Das wird besonders am Beispiel der Automobilindustrie für die mein früheres Unternehmen nach wie vor in Augsburg tätig ist. Ohne Englisch geht in dieser Schlüsselbranche längst nichts mehr. So haben wir schon früh angefangen, bei Zeuna Stärker Mitarbeiter in der englischen Sprache zu schulen. Bayern ist als exportstarkes Bundesland extrem abhängig von Kunden im Ausland.
Sie waren von 1985 bis 1997 Arbeitgeber-Chef in Bayern und sind heute Ehrenpräsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Wie stolz sind Sie auf die enorme ökonomische Stärke Bayerns? In den 90er Jahren hat es ja noch kräftig gekriselt. Stärker: Heute herrscht in vielen Teilen Bayerns Vollbeschäftigung, auch weil sich unsere Firmen in den 90er Jahren in einem schwierigen Prozess an die Gesetze der Globalisierung angepasst haben. Zwischen 2000 bis 2015 stiegen die Exporte Bayerns von rund 90 Milliarden auf 179 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr konnte der Freistaat einen neuen Exportrekord aufstellen.
Sind Sie denn noch unternehmerisch aktiv? Wie viel Geld haben Sie einst durch den Verkauf Ihrer Firma erlöst? Stärker: Zum Verkaufserlös haben wir – wie mit den Käufern vereinbart – von Anfang an keine Angaben gemacht. Aber so viel verrate ich: Mit meinen beiden Söhnen bin ich noch unternehmerisch aktiv. Wir investieren in Firmen, auch in Startups. Ins Detail will ich nicht gehen.
Also keine Anzeichen von Ruhestand? Stärker: Meiner Familie habe ich zumindest versprochen, dass ich nach meinem 80. Geburtstag etwas kürzertrete. Ich werde aber nach wie vor ins Büro gehen und Unternehmer bleiben. Gerade junge Firmeninhaber, in deren Betriebe wir investieren, suchen meinen Rat.
Welche Tipps hat Hubert Stärker für den Management-Nachwuchs parat? Stärker: Nehmen wir das Thema Ausbildung: Es gibt Strategien, wie man Nachwuchs an ein Unternehmen binden kann. Bei uns wurden die Kinder von Mitarbeitern bevorzugt eingestellt. Die Eltern habe ich gebeten, beim Vorstellungsgespräch mitzukommen. Dann habe ich jedem erklärt, dass die drei Jahre Lehrzeit uns in der Regel rund 100000 D-Mark kosten und Werte wie Pünktlichkeit wichtig sind.
Wie haben Sie junge Menschen nach der Lehre weiter gefördert? Stärker: Wer sich besonders bewährt hat, dem haben wir die Chance gegeben, eine Wirtschaftsschule zu besuchen oder zu studieren, bis hin zu einem Managementstudium im schweizerischen St. Gallen. Und wer sich nach Abschluss des Studiums fünf Jahre an uns gebunden hat, musste kein Geld für die Studienkosten aufbringen. Wer vorher gegangen ist, musste hingegen einen Teil der Weiterqualifikation selbst bezahlen.
Empfehlen Sie das zur Nachahmung? Stärker: Insofern ja, als meine Personal-Philosophie gelautet hat: Mitarbeiter, die etwas können, müssen wir an uns binden. Dabei ist es wichtig, den Beschäftigten klarzumachen, dass sie selbst durch ihre Fähigkeiten ihren Arbeitsplatz absichern.
Dazu passt die Erkenntnis des ExVolkswagen-Vorstands Daniel Goeudevert, nach der Unternehmensführung nicht die Beschäftigung mit Gegenwartsproblemen sei, sondern die Gestaltung der Zukunft. Stärker: Deshalb habe ich versucht, im Gespräch mit Kunden und Mitarbeitern herauszufinden, was sie sich für die Zukunft wünschen.
Was kam dabei heraus? Stärker: Wir haben früher zum Teil in drei Schichten pro Tag produziert. Alle 14 Tage wurde der Ablauf der Schichten gewechselt, was für die Mitarbeiter ein großes Problem dargestellt hat. Deshalb habe ich eine Umfrage unter den Mitarbeitern gemacht und dabei kam heraus, dass viele Beschäftigte am liebsten auf Dauer Nachtschicht arbeiten wollten. Das war kein Wunder, denn wir beschäftigten reichlich Landwirte, die so besser ihr Vieh versorgen konnten. Ich wollte immer von den Mitarbeitern wissen, was sie gut finden und wo sie Bedenken hegen.
Muss sich ein guter Unternehmer unter seine Mitarbeiter mischen? Stärker: Natürlich. Ich bin immer wieder durch die Fertigung gegangen, auch nachts. Dann habe ich die Beschäftigten gefragt, ob sie Probleme haben. Die meisten haben gesagt, sie hätten keine Probleme. So habe ich entgegnet: Das können sie allen erzählen, aber nicht mir. Zum Abschied habe ich Mitarbeitern gesagt, sie könnten mich jederzeit anrufen und müssten der Sekretärin dafür keinen Grund nennen. Das Angebot hat eine Reihe von Mitarbeitern genutzt. Mit den Beschäftigten haben wir auch Zielvereinbarundeutlich, gen getroffen. Diese wurden in der Regel auch eingehalten. Und wir haben uns verpflichtet gesehen, die Leute immer zu unterstützen, wenn sie Probleme im privaten Bereich hatten, also etwa krank wurden.
Wie pflegt ein Unternehmer möglichst clever die Beziehung zu Kunden? Stärker: Das geschieht auch durch unkonventionelle Maßnahmen. So habe ich Kunden gefragt, was sie in fünf und in zehn Jahren an Produkten von uns brauchen. Jetzt kann ich es ja erzählen, ich hatte noch einen besonderen Trick auf Lager: Ehe ich zu einem Kunden, also den Großen der Automobilindustrie gegangen bin, habe ich mir intern eine Liste geben lassen, ob es zuletzt bei den Kunden Probleme gegeben hatte oder dies nicht der Fall war. Wenn es Probleme gegeben hatte, habe ich mich dafür entschuldigt und erklärt, welche Maßnahmen wir getroffen hätten, damit diese Probleme nicht mehr auftreten. Das kam gut an. Ich wusste ja, dass die Gegenseite auch so eine Liste vorbereitet hat.
Dennoch haben Sie 2003 Ihre Firma mit zuletzt rund 2400 Mitarbeitern vollständig verkauft. War das für Sie eine Niederlage, ja aus heutiger Sicht sogar ein Fehler? Stärker: Ganz und gar nicht. Die Autokonzerne haben immer größeren Druck auf Zulieferbetriebe ausgeübt. Wir wären als Mittelständler gezwungen gewesen, den Riesen auf alle Kontinente zu folgen und in der Nähe ihrer Fabriken Fertigungen, etwa in China und Südamerika, aufzubauen. Das hätte einen Mittelständler wie uns überfordert. Die Entscheidung war richtig. Das Timing stimmte. Ich bereue nichts. Schließlich wuchs der Preisdruck durch die wenigen verbliebenen Automobilkonzerne dramatisch an. Das hat sich bis heute erhalten, wie man kürzlich am Streit zwischen VW und zwei Zulieferern gesehen hat. Interview: Stefan Stahl
„Familien darf man nicht auseinanderreißen.“
Hubert Stärker ist einer der bekanntesten Unternehmer Bayerns. Der Augsburger engagiert sich neben seiner einstigen Tätigkeit als Unternehmer in hohem Maße ehrenamtlich. So war er lange Bayerns Arbeitgeber-Chef und Vorsitzender des Verbandes der bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Stärker gehörte auch dem Bayerischen Senat an und engagierte sich in Augsburg für die CSU. Der Unternehmer hatte einen direkten Draht zum CSU-Urgestein Franz Josef Strauß. Privat ist Stärker nach wie vor aktiver Angler und Jäger.