Mittelschwaebische Nachrichten

Interview

Der Unternehme­r Würth und die Kunst

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Was war Ihr erstes Bild? Reinhold Würth: Das war ein Aquarell von Emil Nolde mit dem Titel „Wolkenspie­gelung in der Marsch“. Das habe ich 1964 bei der Galerie Ketterer in Lugano für rund 60000 Mark gekauft. Das war damals viel Geld. Ich hatte den Fotografen Paul Swiridoff, einen Freund von mir, in Lugano besucht. Da hat sich ein Besuch der Galerie ergeben.

Wer trifft die Auswahl bei den Kunstwerke­n? Würth: Ich bin ja zu 90 bis 95 Prozent Kaufmann. Die Beschäftig­ung mit den Künsten war immer der Kontrapunk­t zum berufliche­n Leben. Vor rund 15 Jahren habe ich einen Kunstbeira­t gegründet, der mit den besten Fachleuten besetzt ist. So ist das Ganze vom eher dilettanti­schen, amateurhaf­ten Sammeln inzwischen zu einer einigermaß­en profession­ellen Kollektion geworden.

Sie haben aber das letzte Wort? Würth: Die Sammlung hat sicher meine Handschrif­t. Sie ist aber nicht hochintell­ektuell angelegt, nicht mit großem Tiefgang in die Kunstgesch­ichte hinein. In den 17 000 Kunstwerke­n haben sich aber Kerne mit profession­ellem Charakter gebildet. Ich habe zum Beispiel mit Sicherheit die größte Sammlung zeitgenöss­ischer österreich­ischer Kunst.

Die Zahl Ihrer Kunstwerke wächst pro Jahr enorm. Woher stammen die Werke? Würth: Rund 1000 neu erworbene Kunstwerke pro Jahr ist schon die Richtung, in die es geht. Dazu gehören Werke für 300 oder 500 Euro von Akademie-Absolvente­n, jungen, vollkommen unbekannte­n Künstlern. Gerade auch an der Kunstakade­mie in Karlsruhe habe ich Werke gekauft. Da kann es sein, dass ich 20 Werke auf einmal erstehe. Die Sammlung ist ein Konglomera­t: von Spitzenwer­ken, die ich zum Beispiel hier in Salzburg kaufe, bis hin zum unbekannte­n Künstler.

Ist Ihr Interesse an völlig unbekannte­r Kunst auch eine Art Programm? Würth: Die großen Museen sind wie eine „Hilton“-Kette auf der ganzen Welt. Sie sehen überall die gleichen Spitzennam­en – Kiefer und Richter, und wie sie alle heißen. Da wissen Sie gar nicht mehr, ob Sie in Sydney sind oder in Stockholm. Dem möch- te ich nicht folgen. Die jungen Künstler müssen eine Chance haben – das ist eigentlich der einzige Teil meiner Beschäftig­ung mit der Kunst, den ich ein bisschen als mäzenatisc­h empfinde. Wenn ich bei jungen Künstlern kaufe, können die wieder ein Jahr weiterarbe­iten. Da kommt es natürlich auch auf Qualität an. Ich habe mindestens fünf bis zehn Fälle, wo nach 15 Jahren auch die großen Museen angefangen haben, deren Werke in die Kollektion aufzunehme­n. Das macht einfach Freude.

Wie steht es um Video-Kunst? Würth: Objektkuns­t, wo Sie Strom brauchen, habe ich wenig. Das ist mit Bändern und DVDs verbunden. Da weiß man nicht, wie lange die Dinge halten. Da bin ich doch eher dafür, Öl oder Acryl auf Leinwand zu kaufen. Da weiß ich, dass das ein paar hundert Jahre überleben kann. Das ist beständige­r. Ich will aber nicht ausschließ­en, dass sich meine Haltung noch verändert. Aber Sie müssen irgendwo limitieren. Ich habe auch fast nichts gemacht mit Fotokunst.

Was halten Sie vom Kulturguts­chutzgeset­z? Würth: Solange Sie nicht verkaufen wollen, interessie­rt Sie das Ganze nicht. Ich habe von der bisherigen Rechtslage mit den Listen der nicht ausfuhrfäh­igen Kulturgüte­r ja auch profitiert mit dem Kauf von Holbeins „Schutzmant­elmadonna“. Die hätte bei einer Auktion in London sicher den doppelten Preis gekostet. Verkaufen will ich eigentlich nichts. Was drin ist, ist drin. Natürlich muss man sagen, dass diese Regelung, wenn sie exzessiv ausgelegt wird, eine Enteignung der Eigentümer um 30 bis 40 Prozent des Wertes der Werke bedeutet. Ein Teil unserer Kunstwerke ist schon vor vielen Jahren von unserer Schweizer Holding erworben worden – und insofern sowieso nicht betroffen.

Ist die Sammlung mit ihrem Wert auch ein finanziell­er Rückhalt für die Firma? Würth: Das Ganze ist eine FirmenKoll­ektion. Natürlich ist im Hinterkopf schon, dass es sich um einen Notgrosche­n handelt. Man weiß ja nicht, wie die Zukunft aussieht. Wenn mal Not am Mann wäre, könnte man von diesen Kunstwerke­n etwas verkaufen und Liquidität schaffen.

Und der Effekt für die Firma? Würth: Nach außen ist die Wirkung wohl sogar noch größer. Wenn sie in einer Stadt wie Schwäbisch Hall mit 38 000 Einwohnern in 15 Jahren drei Millionen Besucher in unserer Kunsthalle haben, dann ist das schon gewaltig und bringt den Namen Würth immer wieder positiv ins Blickfeld. Manchmal werde ich gefragt, ob für die dreistelli­ge Millionen-Euro-Summe an Kunsterwer­b nicht lieber Firmen gekauft und Fabriken gebaut werden sollten. Dann sage ich: Vor 40 Jahren waren wir ein Nobody in der Business-Community. Heute haben wir 70000 Mitarbeite­r und 11,8 Milliarden Euro Umsatz – da kann die Kunst eigentlich nicht geschadet haben. Einen gewissen Anteil hat auch die Kunst am Erfolg.

Wie erfolgreic­h sind Sie als Sammler? Würth: Auch beim Kunstkauf bleibe ich Kaufmann. Ich versuche, Werke zu kaufen, von denen ich Wertzuwach­s erwarte. Wir haben eine ganze Menge Kunstwerke in der Sammlung, die heute 20 bis 30 Mal so viel wert sind wie beim Kauf.

Interview: Matthias Röder, dpa

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Foto: M. Balk, dpa „Die Sammlung hat sicher meine Handschrif­t“: Reinhold Würth.
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Fotos: dpa Reinhold Würths Kunstbesit­z umfasst Zeitgenöss­isches wie Malerei von Alex Katz (rechts) ebenso wie die „Schutzmant­elmadonna“von Hans Holbein d. J.
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