Mittelschwaebische Nachrichten
Bewährungsstunde der Frauen
Film Bei den Festspielen in Venedig bringt der Kannibalen-Film „The Bad Batch“Bewegung in den Wettbewerb
Venedig Die ersten Zuschauer springen nach wenigen Minuten auf und rennen aus dem Kinosaal. Da sägt eine Kannibalin gerade die Extremitäten einer jungen Frau ab und schmeißt sie in die Pfanne. Das ist der Beginn von „The Bad Batch“, dem wohl überraschendsten Beitrag im diesjährigen Wettbewerb beim Filmfest Venedig. Die in England geborene Ana Lily Amirpour erzählt darin von einer Kannibalengemeinschaft und dem Beginn einer Liebesgeschichte in einer post-apokalyptischen Welt – und konnte dafür auch die Hollywoodstars Jim Carrey und Keanu Reeves gewinnen.
Regisseurin Amirpour (Jahrgang 1980) wurde vor zwei Jahren bereits für ihren Debütfilm „A Girl Walks Home Alone at Night“über einen einsamen Vampir in einer iranischen Stadt von Kritikern gefeiert. Nun legt sie mit „The Bad Batch“ein bildgewaltiges, energiegeladenes Werk vor. „The Bad Batch“, das sind die von der Gesellschaft Ausgestoßenen, die irgendwo in der texanischen Wüste leben. Auch Arlen (Suki Waterhouse) irrt dort umher, bis sie von Kannibalen gefangen wird. Sie sägen ihr den Unterarm und einen Teil des Beins ab. Dann kann sie fliehen und findet in einer anderen Gemeinde Zuflucht. Vor allem die 24-jährige Britin Suki Waterhouse trägt den Film mit ihrer Darstellung. Der Spannungsbogen der Geschichte hält dagegen nicht über die gesamten zwei Stunden. Und doch gelingt es Amirpour, mit „The Bad Batch“einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Es sind dabei nicht die verstörenden Kannibalenszenen, sondern vielmehr die von pumpender Musik unterlegten Beobachtungen der exzentrischen Außenseiter – darunter Jim Carrey und Keanu Reeves –, die Amirpour so gekonnt einfängt und die Regisseurin damit zu einer Favoritin auf einen der Hauptpreise werden lassen.
Im Wettbewerb ebenfalls mit dabei sind zwei deutsche Koproduktionen. In „Frantz“führte der Franzose François Ozon („8 Frauen“) Regie. Der Film, der auf Deutsch und Französisch gedreht wurde, beginnt kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Am Grab ihres gefallenen Verlobten begegnet Anna (Paula Beer) einem Franzosen. Der junge Mann (Pierre Niney) leidet ebenfalls unter den Folgen des Krieges und nähert sich der Familie des toten Deutschen an. In schwarz-weißen Bildern hat Regisseur Ozon einen stillen Appell für Vergebung und Neuanfang kreiert. Die deutsche Schauspielerin Paula Beer („Das finstere Tal“) überzeugt durch ihr ausdrucksstarkes Spiel.
In dem Western-Thriller „Brimstone“, ebenfalls aus Deutschland mitfinanziert, zeigt US-Schauspielerin Dakota Fanning („Twilight“) in der Rolle einer kämpferischen Rächerin eine ebenfalls eindrucksvolle Leistung. Als starke Frau in einer männerdominierten Welt dürfte sie sich Preis-Chancen erspielt haben. Am Samstag fällt in Venedig die Jury ihre Urteile. (dpa)