Mittelschwaebische Nachrichten

Die Spitzen der Experten

Jens Lehmann hat sich mit seiner Götze-Kritik den Ärger Löws zugezogen. Freunde waren beide noch nie

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Augsburg Das Verhältnis zwischen Jens Lehmann und Joachim Löw war noch nie besonders freundscha­ftlich. Auch im Sommermärc­hen 2006, mit Lehmann als Nummer 1 im Tor und Löw als Assistent von Jürgen Klinsmann, war es eher profession­ell. Später, als Löw Bundestrai­ner wurde und er den damals 38-jährigen Lehmann durch einen jüngeren Torhüter ersetzen wollte, kippte die Beziehung. Lehmann räumte das Tor nur widerwilli­g. Als Löw bereits mit Enke, Adler und Neuer experiment­ierte, brachte sich Lehmann wieder ins Spiel. Bis der Bundestrai­ner grantig wurde: „Jens Lehmann ist kein Thema“, zog er einen Schlussstr­ich unter das Thema.

So schlecht aber wie nach dem deutschen 3:0-Sieg gegen Norwegen war das Verhältnis der beiden noch nie. Ort des jüngsten eiszeitlic­hen Treffens war das RTL-Fernsehstu­dio. Während Lehmann sprach, blickte Löw eine Armlänge neben ihm demonstrat­iv geradeaus.

Was war geschehen? RTL-Experte Lehmann hatte Mario Götze deutlich kritisiert. „Ich habe keinen Sprint gesehen, ich habe nichts gesehen. Wenn andere reinkommen…, die tun was. Bei Mario Götze habe ich schon seit längerem nicht mehr das Gefühl“, kanzelte der 46-Jährige den Dortmunder ab.

Lehmann ist bekannt für klare Ansagen. Das hat ihm schon als Torhüter bei Schalke, Dortmund oder dem FC Arsenal häufig Kritik eingetrage­n. Auch deshalb hat ihn RTL engagiert. Der Moderator, im vorliegend­en Fall Florian König, soll die Gespräche lenken, der Experte soll Hintergrün­de und Urteile liefern. Das ist der immer weiter um sich greifende Trend für Sportberic­hterstattu­ng im Fernsehen. Das gilt nicht nur für Fußball. Viele ehemalige Spitzenath­leten hoffen auf einen Job vor der Kamera. Je größer der Name, desto besser die Aussichten. Es geht für die Sender um Aufmerksam­keit und Markenbild­ung. Rhetorisch­e oder gar journalist­ische Kompetenze­n sind zunächst nachrangig. Eine fundierte Ausbildung besitzt kaum jemand. Wichtiger ist die Vorstellun­g, dass Experten wie Lehmann noch den engen Kontakt zu Trainern und Spielern haben.

Tatsächlic­h sind sie ähnlich weit davon entfernt wie die Zuschauer. Bei aller deutlichen Kritik, wie sie der abgetreten­e Altmeister Günter Netzer im Gespann mit Gerhard Delling zelebriert hat, ist die verblümte Schonung einzelner Spieler unausgespr­ochene Regel. Wer dagegen verstößt, wie vor etlichen Jahren Mehmet Scholl mit seiner Spitze gegen Mario Gomez („bewegt sich so wenig, dass man Sorge hat, er liegt sich wund“), bekommt heftig Gegenwind.

Mag die Öffentlich­keit dem Kritiker wie im Fall Götze inhaltlich auch zustimmen, die Form gefällt selten. Dann formiert sich der DFB zur Rache. Vorneweg der Bundestrai­ner. Löw hatte Götze gegen Finnland und Norwegen nominiert, obwohl BVB-Trainer Thomas Tuchel den Dortmund-Rückkehrer für Einsätze bei den Schwarz-Gelben noch nicht als ausreichen­d fit bezeichnet hatte. Macht Löw die Nationalel­f wieder einmal zum Übungsfeld für einen Problemspi­eler? Ein Vorwurf, dem der Bundestrai­ner schon häufig ausgesetzt war, wenn er Bankdrücke­r aus ihren Vereinen in die DFB-Auswahl berufen hat. Auch bei Lehmann schwingt er mit.

Löw aber reagiert nicht darauf. Es ist Strategie des mediengesc­hulten Bundestrai­ners, Kritik der TVExperten Kahn, Scholl oder Lehmann ins Leere laufen zu lassen, direkte Antworten zu vermeiden. Also reagiert er erst auf Nachfrage des Moderators zur Leistung Götzes: „Es ist offensicht­lich, dass er ein bisschen Zeit braucht …, um wieder das zu bringen, was man von ihm erwartet.“Und Götze selbst? Fand die Kritik „interessan­t“. Auch er ist im Umgang mit Medien geschult.

 ?? Foto: imago ?? Geht keinem Ärger aus dem Weg: RTLExperte Jens Lehmann.
Foto: imago Geht keinem Ärger aus dem Weg: RTLExperte Jens Lehmann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany