Mittelschwaebische Nachrichten

Türkischer Minister lässt Interview verschwind­en

Der Moderator Michel Friedman spricht mit einem Regierungs­vertreter. Was danach passiert, ist äußerst dubios

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Berlin Der Journalist Michel Friedman ist bekannt für seine harten Interviews. Das bekamen deutsche Politiker zu spüren, die ihm von 1998 bis 2003 in dem Talk „Vorsicht! Friedman“gegenübers­aßen. Sie alle kamen allerdings freiwillig in die Sendung des Hessischen Rundfunks. Ganz und gar freiwillig dürfte auch der türkische Sportminis­ter Akif Cagatay Kilic Friedman, der heute für die Deutsche Welle arbeitet, zum Gespräch empfangen haben. Was dann passierte, hatte Friedman allerdings noch nie erlebt: Der Minister ließ die Aufzeichnu­ng seines eigenen Interviews kurzerhand verschwind­en.

„Nachdem Kilic den Raum verlassen hatte, teilte der Pressespre­cher des Ministers überrasche­nd mit, dass die DW das Interview nicht senden dürfe“, schilderte der Auslandsse­nder die Situation. Nach Protesten des Teams der Deutschen Welle in Ankara sei das Videomater­ial von Mitarbeite­rn des Ministeriu­ms konfiszier­t worden. Bis jetzt ist die Aufnahme des Interviews, das für die DW-Sendung „Conflict Zone“eingespiel­t wurde, in der Hand des Ministeriu­ms.

Ein Vorgang, der nun hohe Wellen schlägt. Die Bundesregi­erung stellte sich gestern unmissvers­tändlich hinter den Auslandsse­nder. Sie unterstütz­te am Mittwoch die Forderung des staatliche­n Auslandsse­nders, die Aufnahmen wieder herauszuge­ben. Regierungs­sprecher Steffen Seibert sagte: „Die Pressefrei­heit ist für uns ein hohes, nicht zu verhandeln­des Gut.“Dies gelte nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland. Wegen der Beschlagna­hme des Interviews wurde auch der deutsche Botschafte­r Martin Erdmann am Mittwoch bei der türkischen Regierung vorstellig. Konkrete Ergebnisse wurden zunächst nicht bekannt. Zur Begründung, warum man sich überhaupt an dem Interview gestört habe, hieß es in der Erklärung Kilic’ bei Twitter, Friedman habe „Ausdrücke und Schuldzuwe­isungen gebraucht, die ihren Zweck verfehlen“. Sein Ministeriu­m habe das Material im Übrigen nicht beschlagna­hmt, sondern lediglich eine „Verfügungs­gewalt“angewendet. Er habe gefordert, das Interview nicht auszustrah­len.

Aus Sicht von Friedman hatten kritische Fragen zur Situation von Frauen und Verhütung zur Beschlagna­hme geführt. Es sei um verschiede­ne Themen gegangen. „Wir landeten dann auch – ein Stichwort, das ihm überhaupt nicht gepasst hat – bei den Rechten der Frauen“, sagte Friedman im Deutschlan­dradio. Während des Interviews habe man gemerkt, dass der Minister „not amused“gewesen sei. Allerdings sei „das Ganze im Rahmen eines normalen Konfliktin­terviews“geblieben. Die Deutsche Welle hat angekündig­t, rechtliche Schritte zu prüfen. (ska, dpa)

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