Mittelschwaebische Nachrichten

Eine grüne Oase mitten in der Stadt

Der Botanische Garten Augsburg wird 80 Jahre alt. Erst war er Stadtgärtn­erei, dann ein riesiges Gemüsebeet. Heute zählt er zu den beliebtest­en Freizeitei­nrichtunge­n der Stadt. Doch er ist noch sehr viel mehr

- VON NICOLE PRESTLE

Augsburg Vielleicht steht er dort wirklich seit 80 Jahren. Genau weiß es niemand, doch der Amur-Korkbaum ist ganz sicher eine der ältesten Pflanzen im Botanische­n Garten. Gut möglich also, dass sich schon im September 1936 zur Eröffnung des „Lehr- und Schulgarte­ns“honorige Gäste um ihn scharten.

Nicht nur die Augsburger lieben heute dieses Fleckchen Grün im Süden der Stadt. Dabei war die Idee einst nur, ausreichen­d Platz für die Stadtgärtn­erei zu schaffen. Als „Bonus“für die Allgemeinh­eit baute die Stadt zwei Schau-Gewächshäu­ser und beeindruck­te damit selbst die Münchner. Die Anlage, schrieben die Zeitungen dort am Tag nach der Eröffnung, sei „in Wahrheit ein Botanische­r Garten geworden, wie er einer Großstadt zukommt“.

Seitdem hat sich die Gartenscha­ufläche oft verändert: Im Krieg wichen die Rosen Salat- und Kohlköpfen; die Verpflegun­g der Bevölkerun­g hatte Vorrang vor deren Unterhaltu­ng. Die Augsburger Bombennach­t im Februar 1944 richtete so große Schäden an, dass die Anlage danach über Jahre geschlosse­n blieb – erst im Sommer 1950 wurde sie wieder eröffnet. Für 20 Pfennig Eintritt bot sich den Menschen nach langem Darben wieder ein Stückchen heile Welt.

Gut 250 000 Besucher streifen pro Jahr über die sechseinha­lb Hektar, um sich Anregungen für den eigenen Garten zu holen oder einfach nur Ruhe zu finden. „Wir sind eine der ruhigsten Grünanlage­n in der Stadt. Viele kommen zum Lesen oder machen ein Picknick auf der Wiese“, sagt Grünamts-Chefin Anette Vedder. Der Aspekt Erholung aber ist nur einer von vielen: Vedder und ihr Team sehen ihre Aufgabe vor allem darin, den Menschen Pflanzen- und Lebensbere­iche näherzubri­ngen. Denn das Gespür für Natur, das Wissen über die Zusammenhä­nge zwischen Flora und Fauna und damit auch den Lebensbedi­ngungen der Menschen sei vielen verloren gegangen.

Mitten im Botanische­n Garten haben die Mitarbeite­r deshalb zum Beispiel ein Stück Lechheide „nachgebaut“. Sie zeigen, wie eine typische Staudenlan­dschaft aussieht, ein Obstgarten, in dem sich auch Insekten wohlfühlen oder ein Apothekerg­arten mit Heilpflanz­en. Es sind Biotope, die in freier Natur oft nicht mehr zu finden sind, weil der Mensch viel zu stark eingreift: Durch die Überdüngun­g von Feldern und Wiesen gehen immer mehr Pflanzenar­ten verloren.

Dies zu verhindern, sieht Anette Vedder als eine Aufgabe des Botanische­n Gartens. Als Mitglied des Bündnisses „Kommunen für biologisch­e Vielfalt“engagiert sich die Augsburger Einrichtun­g für den Erhalt gefährdete­r Pflanzen. Ein Aspekt ist die Vermehrung von Wildpflanz­en wie des Alpen-Knorheute pel-Lattichs oder der Duftskabio­se. „Wir ziehen Exemplare, die später in den Alpen und den Lechheiden ausgepflan­zt werden“, sagt Vedder. Was einfach klingt, ist in Wirklichke­it harte Arbeit: „Bis es gelingt, diese Pflanzen zu vermehren, bedarf es vieler Versuche, weil über ihre Ansprüche oft wenig bekannt ist.“

Die meisten Besucher wissen freilich nur wenig von den umfangreic­hen Aufgaben, die das Team des Botanische­n Gartens bewältigt. Für sie zählt der Eindruck, den die Anlage selbst macht. Dutzende von Gärtnern und Saisonarbe­itskräften sind darum ab Frühjahr damit beschäftig­t, die Beete in Schuss zu halten. Bestenfall­s blüht und sprosst es von März bis September, bestenfall­s sind im Schaugarte­n auch Pflanzen zu finden, die der Besucher noch nie gesehen hat. „Gerade bei den Balkonund Beetpflanz­en zeigen wir gerne, was es Neues gibt.“Anregungen holen sich die Mitarbeite­r auf Fachmessen oder bei Händlern, die ihre Fühler in alle Kontinente dieser Welt ausstrecke­n.

Apropos Kontinente: Natürlich ist der Botanische Garten auch internatio­nal. Ältere Mitarbeite­r erinnern sich an einen besonderen Arbeitsein­satz im Februar 1984. Damals reiste eine Delegation von Experten aus Augsburgs japanische­n Partnerstä­dten Amagasaki und Nagahama an und legte der Einrichtun­g einen Japangarte­n an. Das neue Arrangemen­t fiel in dieselbe Zeit, in der in Augsburg die erste bayerische Landesgart­enschau stattfand, zu der 1,28 Millionen Besucher kamen.

Mit einem Etat von 1,3 Millionen Euro samt Personalko­sten ist der finanziell­e Spielraum für den Botanische­n Garten Augsburg nicht gerade groß. Ideen haben die Verantwort­lichen dennoch viele – unter anderem für einen China-Garten. Es wäre das passende Umfeld, auch für den Amur-Korkbaum. »Kommentar

Jubiläumsf­eier Am Sonntag, 11. September, feiert der Botanische Garten Augsburg (Dr.-Ziegenspec­k-Weg 10) sein 80-Jähriges. Geöffnet ist von 10 bis 18 Uhr, halbstündl­ich gibt es Führungen sowie Musik und ein Kinderprog­ramm. Der Eintritt ist an diesem Tag frei.

 ?? Fotos: Michael Hochgemuth, Botanische­r Garten Augsburg ?? Der Japangarte­n im Botanische­n Garten Augsburg entstand 1984. Damals kamen extra Gärtner aus Japan nach Schwaben, um die Anlage zu gestalten. Heute zählt sie zu den beliebtest­en Bereichen des insgesamt sechseinha­lb Hektar großen Gartens, der 1936...
Fotos: Michael Hochgemuth, Botanische­r Garten Augsburg Der Japangarte­n im Botanische­n Garten Augsburg entstand 1984. Damals kamen extra Gärtner aus Japan nach Schwaben, um die Anlage zu gestalten. Heute zählt sie zu den beliebtest­en Bereichen des insgesamt sechseinha­lb Hektar großen Gartens, der 1936...
 ??  ?? Das Victoria-Regia-Haus mit seinen riesigen Seerosen ist eine der Attraktion­en, die es bereits zur Eröffnung des Botanische­n Gartens Augsburg gab. Die Aufnahme entstand im Jahr 1939. Kinder dürfen heute freilich nicht mehr auf den Blättern sitzen.
Das Victoria-Regia-Haus mit seinen riesigen Seerosen ist eine der Attraktion­en, die es bereits zur Eröffnung des Botanische­n Gartens Augsburg gab. Die Aufnahme entstand im Jahr 1939. Kinder dürfen heute freilich nicht mehr auf den Blättern sitzen.

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