Mittelschwaebische Nachrichten

Bürger schuften für ihr Freibad

Die Einrichtun­g in Osterzell stand vor dem Aus. In mehr als 3000 Arbeitsstu­nden packte der ganze Ort mit an, um die Schwimmbec­ken zu erhalten

- VON LAURA JOCHAM

Osterzell Paul rückt seine Schwimmbri­lle zurecht. Mit seinen Fingern hält er sich vorsichtsh­alber die Nase zu. Dann nimmt er Anlauf und springt lachend ins Wasser. Reger Betrieb herrscht an diesem Sommertag im Schwimmbad in Osterzell im Ostallgäu. Vor drei Jahren stand es eigentlich schon vor dem Aus. Die Technik war nicht mehr auf dem aktuellen Stand. Und Nachrüsten zu teuer. So schnell wollten die Osterzelle­r ihr Freibad jedoch nicht aufgeben. Sie beschlosse­n einen Umbau – und steckten mehr als 3000 Stunden ehrenamtli­che Arbeit in das Projekt. Dafür werden sie mit der Silberdist­el unserer Zeitung ausgezeich­net.

Im Sommer 2013 hieß es: Das Bad muss schließen, die technische Ausrüstung zum Chloren des Wassers genüge nicht mehr den aktuellen Richtlinie­n. Nachzurüst­en hätte mindestens 120 000 Euro gekostet. „Für eine 650-Seelen-Gemeinde war das zu viel Geld“, sagt Bernhard Bucka. Er ist Vorstand des daraufhin gegründete­n Fördervere­ins.

Die Mitglieder beschlosse­n den Umbau in ein Naturbad. Das wird ohne Chlor betrieben. „Das Wasser wird in einem separaten Becken mithilfe von Sand, Kies und Pflanzen gereinigt“, erklärt Bucka. So konnte nicht nur die teure technische Nachrüstun­g umgangen werden. „Das Wasser ist jetzt außerdem weicher und auch etwas für Menschen, die zum Beispiel Hautproble­me haben.“Der Reinigungs­teich aber erst einmal angelegt, die Finanzieru­ng gesichert werden. Zuschüsse gab es von der Gemeinde und dem Landkreis. „Den Rest haben wir mit Spenden und Benefizakt­ionen finanziert.“Etwas mehr als 60 000 Euro hat der Umbau letztlich gekostet.

Innerhalb von neun Monaten ging der über die Bühne. Nur größere Baggerarbe­iten und das Entfernen alter Farbschich­ten im Becken haben Firmen übernommen. „Den Rest haben wir gemacht“, sagt Bucka stolz. Rund 3400 Arbeitsstu­nden bedeutete das für die Osterzelle­r Bürger. Am Feierabend und an den Wochenende­n haben sie auf der Baustelle geholfen. Und gemeinsam geschaufel­t, gebaggert, getragen und betoniert. Alle Generation­en halfen zusammen, jeder nach seinen besonderen Fähigkeite­n. „Alte Erfahrung traf auf junge Kraft“, sagt Bucka lachend. Viele Rentner hätten ihr Wissen als ehemalige Bauleiter, Gärtner oder Maurer eingebrach­t. „Und die jungen Leute haben Schubkarre um Schubkarre geschoben.“Das ganze Dorf packte mit an, bis das Bad im Juni vergangene­n Jahres wieder öffnete.

„Dadurch ist der Zusammenha­lt in Osterzell viel stärker geworden“, sagt Bucka. Das Bad sei ein Treffpunkt geworden, der über das Schwimmen hinausgeht. Auch Jugendlich­e würden viel sorgsamer damit umgehen. „Sie haben ja selbst so viel Arbeit mit reingestec­kt.“

Ein paar Zweifel, dass doch irgendetwa­s schiefgehe­n könnte, hatmusste te Bucka trotzdem. Denn gleich der Sommer 2015, der erste für das Naturbad, war einer der heißesten der vergangene­n Jahre. Und viele Besucher bedeuten viel Belastung für das Wasser im Becken. „Den Umgang damit müssen wir erst lernen. Aber es hat dann alles geklappt“, erinnert er sich. Für die laufenden Kosten – wie Wasserprob­en, Rasenmähen oder Reparature­n – kommen der Fördervere­in und die Gemeinde auf. Denn das Schwimmen in dem Naturbad ist für Osterzelle­r, Urlauber und Bürger aus den Nachbargem­einden kostenlos. „Das ist schon seit 40 Jahren so und soll auch so bleiben“, meint Bucka.

Geöffnet Mindestens bis Ende der Sommerferi­en, dann wetterabhä­ngig.

 ?? Foto: Harald Langer ?? Der Fördervere­in des Schwimmbad­s Osterzell hat nicht nur Spenden gesammelt, sondern die Einrichtun­g auch neun Monate lang umgebaut. Und das nach der Arbeit und an den Wochenende­n.
Foto: Harald Langer Der Fördervere­in des Schwimmbad­s Osterzell hat nicht nur Spenden gesammelt, sondern die Einrichtun­g auch neun Monate lang umgebaut. Und das nach der Arbeit und an den Wochenende­n.

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