Mittelschwaebische Nachrichten
Der Robin Hood ohne Arme
Der Bogenschütze Matt Stutzman legt den Pfeil mit dem Fuß ein. Den Schuss löst er mit dem Kinn aus. Er ist einer derer, die zum Star der Behinderten-Spiele in Rio werden könnten. Wir stellen weitere Kandidaten vor
Markus Rehm (Weitsprung): Er ist der Überflieger im Weitsprung. Der Leverkusener wollte auch bei den Olympischen Spielen starten. Daraus wurde aber nichts. Ein Gutachten konnte nach Ansicht des Leichtathletik-Weltverbandes nicht eindeutig klären, ob Rehm mit seiner Carbonprothese Vorteile hat oder nicht. Vielleicht springt der London-Sieger in Rio wieder Weltrekord und verbessert. Rehm verlor als Teenager bei einem Wassersport-Unfall seinen rechten Unterschenkel.
Jason Smyth (Leichtathletik): Der Ire wird auch der schnellste ParaSprinter der Welt: der Usain Bolt der Paralympics. Er wurde 2010 in Barcelona zum ersten Behindertensportler, der an einer Leichtathletik-EM teilnahm. Bei der WM 2011 war er ebenfalls am Start und lief gegen den echten Bolt. Sein früherer Trainingspartner Tyson Gay konstatierte dem an Morbus Stargardt – einem Augendefekt – erkrankten Iren „einen technisch besseren Laufstil, als ich ihn habe. Er gehört für mich zu den fünf Sprintern mit dem schönsten Laufstil aller Zeiten.“
Alessandro Zanardi (Handbike): Der Italiener raste einst als Formel1-Pilot über den Asphalt. Bei einem Horror-Unfall verlor er am 5. September 2001 auf dem Lausitzring beide Beine. Vor dem Abflug in die Klinik gab der Rennpastor ihm die letzte Ölung – mit Motoröl. Er wurde im Hubschrauber mehrere Male wiederbelebt, lag acht Tage im künstlichen Koma und bekam etwa 100 Blutkonserven. Nach 15 Notoperationen und sechs Wochen nach dem Unfall verließ er die Klinik – mit einem strahlenden Lächeln: Das war und ist sein Markenzeichen. Er stieg ins Handbike und holte bei den Paralympics 2012 in London zweimal Gold und einmal Silber. Der Weltmeister von 2015, in Italien ein Star, absolvierte auch den Ironman auf Hawaii. Sein Ziel: Gold in Rio.
Daniel Dias (Schwimmen): Der Brasilianer gewann im Schwimmen in London sechsmal Gold. Insgesamt kommt der 28-Jährige, der mit Fehlbildungen an Armen und Beinen geboren wurde, auf zehn Paralympics-Titel. Der 24-fache Weltmeister ist der erfolgreichste Schwimmer der letzten Dekade.
Jessica Long (Schwimmen): Acht Medaillen – davon fünfmal Gold – holte die amerikanische Schwimmerin in London. Mit 20 Jahren hatte die gebürtige Russin schon eine Karriere-Bilanz von zwölf Paralympics-Siegen. Als Tatjana Olegowna Kirillowa in Sibirien geboren, wurde sie im Alter von 13 Monaten adoptiert. Wegen Fehlbildungen wurden ihr mit 18 Monaten die Unterschenkel amputiert.
Sarah Storey (Radsport): Sie ist die erfolgreichste britische Behindertensportlerin. 22 Mal stand sie seit 1992 auf dem Siegerpodest, zunächst als Schwimmerin, inzwischen als Radsportlerin. Schon bei ihrer Paralympics-Premiere 1992 gewann sie als 14-Jährige Gold. Bei den Heimspielen 2012 in London ragte sie auf dem Rad mit je zweimal Gold auf der Bahn und auf der Straße heraus, fuhr zudem in der 3000-Meter-Verfolgung Weltrekord. Insgesamt kommt sie auf elfmal paralympisches Gold, achtmal Silber und dreimal Bronze. Storey, ohne funktionierende linke Hand geboren, nahm als erste Behindertensportlerin an den Commonwealth-Spielen teil.
Hannah Cockroft (Leichtathletik): „Hurrikan-Hannah“avancierte in London zum Liebling der Massen: Sie gewann 2012 Gold über 100 und 200 Meter. Die 20-jährige Britin hat in ihrem Heimatland regelrechten Kultstatus. Sie ist Weltrekordlerin über 100, 200, 400 und 800 Meter.
Matt Stutzman (Bogenschießen): Der 33 Jahre alte Amerikaner kam ohne Arme zur Welt und schießt mit dem Bogen dennoch so zielsicher wie Robin Hood. Den Pfeil legt er mit dem Fuß ein, spannt den Bogen mit dem Fuß und löst den Schuss mit seinem Kinn aus. Bei den Paralympics in London vor vier Jahren gewann Stutzman Silber. Der Vater von drei Kindern kam durch die Jagd zum Bogenschießen. Seit 2015 ist er auch Weltrekordhalter: Er traf eine Scheibe in 283,47 Metern Entfernung. (dpa)