Mittelschwaebische Nachrichten
Fast tausend Jahre Geschichte ruhen auf diesen Pfeilern
Die einstige Abteikirche und heutige Pfarrkirche St. Johannes Evangelist hat unruhige Zeiten erlebt und bleibende Werte geschaffen
„Von den Holzhey-Orgeln ist es die mit den meisten Originalteilen.“Ewald Schmid Organist und Altbürgermeister „Die Pfarrei war damals im Streit um die Kreuzigungsgruppe gespalten.“Ewald Schmid Organist und Altbürgermeister
Ursberg Ewald Schmid läuft die steile Treppe zur Empore noch recht schnell hinauf. Für den 84-Jährigen ist es ein altbekannter Weg. Seit 54 Jahren spielt er in der Kirche St. Johannes Evangelist jeden Sonntag die Orgel. Ein Prunkstück. Johann Nepomuk Holzhey, einer der bedeutendsten Orgelbauer des süddeutschen Barocks hat das ehrfurchtgebietende Instrument 1775 unter dem Dach am westlichen Ende des Mittelschiffs eingebaut. Im Februar 1776 hat er sein Werk vollendet. Ein erhabenes Gefühl für Schmid, am Spieltisch zu sitzen und in die Tasten zu greifen. „Von den HolzheyOrgeln ist es die mit den meisten Originalteilen“, schwärmt Schmid. Das Besondere an der Orgel sei, dass man die Töne ganz unterschiedlich gestalten kann. 26 Register stehen dem Organisten zur Verfügung. Vom wuchtig brummenden Prinzipalbass bis zum zarten Flöten der Schalmey. Schmid bedauert nur, dass er „seine Orgel“höchst selten als Zuhörer erlebt. Vom Spieltisch aus sei das Klangerlebnis ein ganz anderes, versichert er. Besonders gern erinnert sich Schmid daher an das große Konzert mit den Augsburger Domsingknaben, mit dem die 1999 sanierte Orgel wieder eingeweiht worden war. Zu der Orgel pflegt Schmid ein besonderes Verhältnis. Frisch verhei- ratet, war Schmid – damals in der Augsburger Finanzverwaltung tätig – mit seiner Frau nach Stätzling gezogen, als der damalige Pfarrer von Ursberg mit einem besonderen Anliegen an Schmid herangetreten war. In der Heimatpfarrei seiner Frau wurde ein Organist gesucht. Schmid ließ sich breit schlagen und willigte ein. Fast ein ganzes Jahr lang fuhr er jeden Sonntagmorgen die rund 50 Kilometer von Stätzling nach Ursberg, bis er 1963 endgültig nach Oberrohr zog. Seither ist er der Orgel treu geblieben – auch, weil sich bislang kein Nachfolger aufgetan hat.
Neben der Orgel gibt es in der ehemaligen Klosterkirche ein weiteres Prunkstück. Die spätromanische Kreuzigungsgruppe aus der Zeit um 1220/30 herum hängt heute, eingerahmt von einem vergoldeten Metallgerüst, hoch über den Köpfen der Gemeinde im Chor der Kirche. Die überlebensgroßen Holzfiguren wurden einst als wundertätig verehrt und waren lange Zeit Ziel von Wallfahrten. Ihr ursprünglicher Platz lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Bekannt ist, dass die Figurengruppe aus Kruzifix, Maria und Johannes Evangelist 1663 in eine Feldkapelle, nahe der jetzigen Ölbergkapelle auf dem Kloster- friedhof, gebracht wurde. 20 Jahre später wurde sie wieder auf den neuen Kreuzaltar der Klosterkirche übertragen. Dort wechselte sie mehrfach den Platz, bis sie im Zuge der jüngsten Kirchenrenovierung in den Jahren 1998 bis 2001, nach kontrovers geführten Diskussionen, an ihren jetzigen Platz gelangte. „Die Pfarrei war gespalten“, erinnert sich Schmid, der damals Bürgermeister der Gemeinde Ursberg war, an die Situation. Fakten schuf dann der damalige Geistliche Direktor und Pfarrer der Kirche, Monsignore Johann Wagner, der, in Absprache mit dem Bistum, das goldene Gestänge anfertigen und die Figurengruppe von der Decke pendeln ließ.
Warum die Diskussionen damals so hart geführt wurden, erklärt sich vielleicht beim Blick auf die wechselvolle Geschichte der Kirche.
Graf Werner von Schwabegg und Balzhausen gründete der Überlieferung nach 1119 das Kloster Ursberg, das sich 1125 – angeblich durch Vermittlung des Ordensgründers, des heiligen Norberts – zum Prämonstratenserorden bekannte. Die Grabplatte des Edlen liegt heute vor den Stufen zum Chor. In die Gründungszeit des Klosters fällt auch der erste, wohl noch relativ bescheidene Bau der damaligen Abteikirche. 1142 brannte die Kirche nieder und wurde unter dem zweiten Propst des Klosters, Grimo, wieder aufgebaut. 1224 brannte der Schirmvogt Albrecht von Nissen – eine Art Schutzaufsicht – das Kloster samt Kirche nieder. Unter Aufsicht der Pröpste Burchard und Konrad von Lichtenau wurde der Kern der heute bestehenden Kirche neu aufgebaut. Es handelte sich dabei wohl um eine dreischiffige romanische Basilika aus Sandstein. Unter Abt Wilhelm Sartor wurde 1414 damit begonnen, den Turm, der in romanischer Zeit offenbar nicht ausgebaut war, zu erhöhen. Die Zeiten blieben allerdings rau. Während des Bauernkrieges 1525 verwüsteten aufständische Bauern die Kirche. Lediglich der Turm und die Kreuzgruppe blieben unbeschädigt. Abt Thomas Mang kümmerte sich um den Wiederaufbau. Während des Dreißigjährigen Kriegs brannten die Schweden 1632 die Kirche nieder und plünderten das Kloster. Sie raubten die Turmkuppel samt Blech, Glocken und Turmkreuz. Zwischenzeitlich errichteten die Mönche auf dem nahegelegenen Michelsberg eine Notkirche, ehe in den Jahren 1667 bis 1670 der Wiederaufbau der Abteikirche in der heutigen Form erfolgte. 1776 wurde die Kirche barockisiert. Aus dieser Zeit stammen auch die Fresken und Dekorationsmalereien Jakob Fröschles und Konrad Hubers. 1802 eröffnete ein bayerischer Beamter den Mönchen, dass ihr Kloster aufgehoben werde. Fast der gesamte Besitz wurde veräußert und die Kirche zur Pfarrkirche.