Mittelschwaebische Nachrichten
Koalition klammert den Streit um Flüchtlinge aus
Nur unkonkrete Absichtserklärungen zu anderen Themen. CSU rückt nicht vom Kurs ab
Schwarzenfeld/Berlin Auch nach dem Spitzentreffen der Berliner Koalitionsparteien und der Vorstandsklausur der CSU ist kein Ende im Streit um die Flüchtlingspolitik in Sicht. Die Chefs von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel einigten sich nach zweistündigen Beratungen am Sonntag lediglich auf einen Fahrplan, wie die strittigen Punkte Erbschaftsteuer, Rentenangleichung zwischen Ost und West sowie gleiche Löhne für Männer und Frauen gelöst werden können.
Erste konkrete Entscheidungen wurden auf Anfang Oktober vertagt, das vor allem zwischen CDU und CSU umstrittene Thema Flüchtlingspolitik ausgeklammert. Nach einem vorausgegangenen Gespräch unter vier Augen zwischen Merkel und Seehofer hieß es, beide hätten den Wunsch zu erkennen gegeben, die verfahrene Situation zwischen den Unionsspitzen aufzulösen. Nach wie vor im Raum steht die CSU-Forderung nach einer Obergrenze für Migranten, die von der CDU abgelehnt wird.
Die bayerische Unionsschwester hatte bei der Klausur im oberpfälzischen Schwarzenfeld ihre Positionen unter anderem in der Flüchtlingspolitik festgezurrt. Seehofer betonte, dass „die Obergrenze Voraussetzung für gelingende Integration ist“. Klargestellt wurde gegenüber dem ersten Entwurf des CSU-Grundsatzprogramms allerdings, dass die Forderung, bevorzugt Zuwanderer aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis ins Land zu lassen, schon wegen des Grundrechts auf Asyl nicht für Flüchtlinge gelten könne. „Artikel 16 a setzen wir nicht außer Kraft“, sagte Seehofer.
Bei der Klausur hatte der CSUChef zudem betont, dass er auf eine Einigung mit der CDU und Merkel setze. Seine Partei wolle gemeinsam mit ihr gewinnen, sie wolle aber vor allem gewinnen. „Und dafür müssen wir einiges tun“, sagte Seehofer: „Wir müssen raus aus dem Verlierermodus. Wir müssen Siegeswillen und Kampfesmut zeigen.“
CDU-Generalsekretär Peter Tauber mahnte: „Wir sollten den Eindruck vermeiden, dass wir völlig gegensätzliche Vorstellungen haben.“Die CSU gehe in einigen Punkten vielleicht weiter als seine Partei – „aber wir gehen in die gleiche Richtung.“CDU-Vize Thomas Strobl warnte: „Nichts schadet CDU und CSU so sehr wie ein Streit unter den Unionsschwestern.“In der Flüchtlingskrise sei es „fahrlässig, so zu tun“, als zeigten die beschlossenen Maßnahmen keine Wirkung. Strobl: „Scheindebatten über Randthemen sind kübelweise Wasser auf die AfD-Mühle.“
Die CSU-Klausur wurde unterdessen von Personalspekulationen begleitet, die Seehofer selbst mit der Bemerkung, dass die CSU bei der Bundestagswahl „mit der besten Formation antreten“müsse, ausgelöst hatte. In der Partei wurde dies als Seitenhieb auf Finanzminister Markus Söder gewertet, weil der für sich einen Wechsel nach Berlin ausgeschlossen hatte. Sein Name wurde allerdings nicht genannt. Neben Seehofer forderten auch Bundesverkehrsminister Dobrindt und Bayerns Wirtschaftsministerin Aigner, dass jeder Verantwortung übernehmen müsse. Söder dagegen betonte auf Anfrage unserer Zeitung, dass sich für ihn nichts geändert habe. Er habe seit Jahren den gleichen Standpunkt: „Für mich ist ganz klar: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Ich bleibe in Bayern.“(mit dpa, afp)
»Leitartikel Uli Bachmeier: „Seehofer steht vor einem Dilemma mit historischer Dimension“»Die Dritte Seite „Wenn die Flucht im Gefängnis endet“– Julia Sewerin berichtet aus Mühldorf am Inn. »Politik Martin Ferber über ein „Krisenkränzchen im Kanzleramt“und Uli Bachmeier über Seehofers Personalspekulation („Ab nach Berlin“)