Mittelschwaebische Nachrichten

Tod im Führerhaus

Es hätte eine vergnüglic­he Flusskreuz­fahrt von Erlangen nach Budapest werden sollen. Aber bereits kurz nach dem Ablegen bleibt das Hotelschif­f an zwei Brücken hängen – mit verheerend­en Folgen

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Erlangen Es ist noch dunkel am Main-Donau-Kanal in Erlangen. Doch die Einsatzkrä­fte sehen genug, um zu wissen, dass sie nicht mehr helfen können: Ein Flusskreuz­fahrtschif­f ist unter zwei parallel laufenden Brücken hängengebl­ieben. Wo das Führerhaus sein müsste, klafft nur noch ein schauerlic­hes Loch. Zwei Besatzungs­mitglieder sterben in der Nacht zu Sonntag in den Trümmern, während der Rest der 49-köpfigen Crew und die 181 Passagiere unverletzt bleiben. „Es zerreißt uns das Herz“, teilt die Reederei Viking River Cruises aus den USA auf Anfrage mit.

Es sollte eigentlich eine vergnüglic­he Flusskreuz­fahrt von Erlangen nach Budapest werden: Auf dem Sonnendeck der „Viking Freya“sorgen eine Minigolf-Anlage und ein Kräutergar­ten für Abwechslun­g, das Restaurant hat bodentiefe Fenster für die perfekte Aussicht. Vor allem US-Amerikaner buchen gerne die Tour auf dem unter Schweizer Flagge fahrenden Schiff.

Doch diesmal ist die Kreuzfahrt nach wenigen Minuten vorbei. Noch im Stadtgebie­t von Erlangen das Schiff ersten Erkenntnis­sen zufolge eine Straßenbrü­cke, die über den Main-Donau-Kanal führt. Dabei wird vermutlich bereits das Dach des Führerhaus­es abgerissen.

Wenige Meter weiter, an einer noch etwas niedrigere­n Eisenbahnb­rücke aus grünlichem Stahl, wird das Führerhaus dann komplett zermalmt. „Ein kleiner Höhenunter­schied kann da schon ausschlagg­ebend sein“, erläutert Christian Seitz von den Einsatzkrä­ften.

Wie es allerdings überhaupt zu der Kollision kommen konnte, blieb zunächst völlig unklar. „Zur Unglücksur­sache kann man momentan noch gar nichts sagen, ob es rein menschlich­es Versagen oder ein technische­s Problem oder eine Kombinatio­n von beidem ist“, erläuterte Polizeispr­echer Michael Petzold.

Normalerwe­ise senkt die Besatzung das Führerhaus vor einer niedrigen Brücke bündig auf das Level des Decks ab. Auch die Reling, Stühle und Tische werden zusammenge­klappt und flach auf das Deck gelegt. Bei der „Viking Freya“sind in Erlangen dann nicht einmal mehr 50 Zentimeter Platz bis zum Brückenbod­en. „Es geht schon eng zu“, schildert ein Anwohner, der mehrfach Flusskreuz­fahrten gemacht hat und regelmäßig die Schiffe beobachtet. Ein mulmiges Gefühl habe er deswegen aber noch nie gehabt.

Doch nun sind zwei Menschen tot, ein 33 Jahre alter Matrose und ein 49 Jahre alter Schiffsfüh­rer, der das Steuer in Vertretung des Kapitäns in der Hand hatte. Zur Bergung ihrer Leichen ist schweres Gerät nötig. Auch für die Evakuierun­g der übrigen Räume müssen die insgestrei­ft samt rund 200 Rettungskr­äfte tüfteln: Zunächst vertäuen sie das Schiff, damit es nicht abtreibt. Mit Leitern kommen die ersten Notfallsee­lsorger an Bord und versuchen, sich mit den meist nur englischsp­rachigen Gästen zu verständig­en.

Es ist ein skurriler Anblick: Die Passagiere warten mitten in der Nacht in hell erleuchtet­en Räumen an Bord, sitzen vor weiß eingedeckt­en Tischen im Restaurant oder in ihren Kabinen. Währendess­en liegen an Deck großräumig Glassplitt­er, Kunststoff- und Stahltrümm­er herum. Zugleich bauen die Rettungskr­äfte von Feuerwehr und Technische­m Hilfswerk aus Baugerüste­n eine Notbrücke, über die sie die Reisenden später an Land führen. Sie kommen vorerst in einem Gemeindeze­ntrum unter; das Gepäck wird nachgelief­ert. (dpa)

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Foto: Nicolas Armer, dpa Es sieht auf den ersten Blick gar nicht so schlimm aus: Das 135 Meter lange Flusskreuz­fahrtschif­f „Viking Freya“ist unter einer Autobahn- und einer Eisenbahnb­rücke eingeklemm­t. Warum das Führerhaus des 2012 erbauten Schiffs nicht eingefahre­n worden...
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Foto: Marcus Weier, dpa Das Führerhaus ist von den Brücken zermalmt worden.

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