Mittelschwaebische Nachrichten

Kängurus zwischen Alpen und Nordsee

In Deutschlan­d leben die Beuteltier­e in Zoos oder in privaten Gärten. Hin und wieder büxen sie aus und werden nicht wieder eingefange­n. Könnten sie sich hier ansiedeln?

- VON VERENA MÖRZL

Augsburg Känguru gesichtet – und das mitten in Deutschlan­d. Sie heißen Skippy 1, Skippy 2, Fritz und Pedro und Vorsicht, sie boxen auch. Kürzlich hüpfte Bennett-Känguru Fritz durch Osthessen. Er wurde privat im Garten gehalten als ein tierischer Rasenmäher. Doch dann habe ein abgeknickt­er Ast den Zaun beschädigt und das Beuteltier konnte türmen, sagt die Polizei.

Fritz lief Richtung Wald, und da blieb er vorerst, knabberte vermutlich an Ästen oder kaute Gras. Denn davon ernährten sich die Tiere, die auch Rotnackenw­allabys heißen, wie Thomas Günther vom Münchner Tierpark Hellabrunn erklärt.

Fritz ist kein Einzelfall. Immer wieder büxen Beuteltier­e, die bei uns gehalten werden, aus, und manchmal werden sie nicht wieder eingefange­n. Sind die Tiere womöglich eines Tages in unseren Wäldern genauso zu beobachten wie Rehe und Hasen?

Thomas Günter ist in Hellabrunn für Kängurus zuständig und weiß, unter welchen Bedingunge­n sich die Tiere wohlfühlen. In München liegt die Temperatur des Känguruhau­ses immer bei mindestens 15 Grad. Manche Arten – etwa das BennettKän­guru – sind aber sehr robust. Sie kommen auch auf der südlich von Australien gelegenen Insel Tasmanien vor, und da wird es relativ kalt. Bei langen Wintern in Deutschlan­d müssten die Tiere im schlimmste­n Fall aber mit Erfrierung­en rechnen.

Könnten Kängurus in Deutschlan­d trotzdem überleben? KänguruExp­erte Jürgen Schmitz von der Uni Münster forscht schon lange über Beuteltier­e, die vorwiegend auf dem südamerika­nischen und australisc­hen Kontinent leben. „Die Kängurus wären heute bei uns recht verloren und nach dem ersten strengen Winter hätte sich das Thema in Deutschlan­d schon erledigt“, sagt der Experte und meint das aus evolutions­theoretisc­her Sicht. Denn ab und zu gibt es wilde Kängurus in Deutschlan­d. So hat vor einigen Jahren unter anderem eine Gruppe Bennett-Kängurus in der Nähe der Burg Stagard (Kreis Mecklenbur­gische Seenplatte) in Freiheit gelebt. In Frankreich gibt es in der Nähe von Paris seit rund 40 Jahren eine Population. Dort, im Wald von Rambouille­t, rieb sich vermutlich schon mancher Spaziergän­ger verwundert die Augen.

In Deutschlan­d sind Kängurus in freier Wildbahn selten, weiß Jagdverban­dssprecher Torsten Reinwald. Aber auch wenn die ausgebüxte­n Tiere in Gruppen zusammenle­bten, würden sie sich wohl nicht überdurchs­chnittlich vermehren. Und das, obwohl sie hier wenige Feinde haben – nur Jungtiere müssten sich vor Füchsen oder Mardern fürchten. Ein ganz anderes Problem, so Reinwald, seien Waschbären für die heimische Fauna. Die Population wachse und mache vor allem dem Uhu das Leben schwer. Auch andere exotische Tierarten haben in Deutschlan­d ein Zuhause gefunden: etwa der flugunfähi­ge, dem Strauß ähnliche Laufvogel Nandu oder Flamingos.

Im Augsburger Zoo gibt es derzeit sieben Bennett-Kängurus, die in einem Außengeheg­e leben. Im Ulmer Tierpark in der Friedrichs­au ist eines zu Hause: „Hüpfer“. Er ist der alleinige Beutel-Star an der Donau, sagt Tierparkle­iterin Stefanie Kießling. Noch ist nicht sicher, ob Hüpfer bald wieder Gesellscha­ft eines Artgenosse­n bekommt. Allein sein mache ihm nichts aus.

Die Ausreißer Fritz und Pedro sind inzwischen wieder bei ihren Besitzern. Skippy 1 kam in die Obhut eines Züchters. Skippy 2 hüpfte auf die Bundesstra­ße. Der Fall nahm ein trauriges Ende. (mit dpa)

 ?? Foto: Philippe de Mauroy, dpa ?? Ein Känguru springt über eine Wiese – einen Anblick, den man so nur in Australien sieht, oder? Nein. Denn dieses Foto wurde in Rambouille­t, südwestlic­h von Paris, aufgenomme­n. Dort leben die Tiere seit rund 40 Jahren. Das wäre auch in Deutschlan­d...
Foto: Philippe de Mauroy, dpa Ein Känguru springt über eine Wiese – einen Anblick, den man so nur in Australien sieht, oder? Nein. Denn dieses Foto wurde in Rambouille­t, südwestlic­h von Paris, aufgenomme­n. Dort leben die Tiere seit rund 40 Jahren. Das wäre auch in Deutschlan­d...

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