Mittelschwaebische Nachrichten

Warum Angie nicht Steffi ist

- VON FRANZ NEUHÄUSER fhn@augsburger-allgemeine.de

„Mit dem Auftreten von Angie ist der deutsche Tennisspor­t wieder in die positiven Schlagzeil­en gekommen, und so hoffen wir alle, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten einen neuen Tennis-Boom erleben können.“

Ulrich Klaus, Präsident des Deutschen Tennis Bundes

Dieser Satz musste kommen. Seit rund zwanzig Jahren hofft und harrt der deutsche Tennisspor­t. Dass sich jene unglaublic­hen Jahre wiederhole­n, während derer Boris und Steffi das Land regierten.

Die Hoffnung wird auch diesmal vergeblich sein. Was am allerwenig­sten an Angelique Kerber liegt. Ihr Aufstieg zur Nummer eins ist beeindruck­end, ihre Leistung verdient allerhöchs­ten Respekt. Aber jede Erfolgsges­chichte ist einmalig. Und die von Steffi Graf besitzt doch deutlich mehr Strahlkraf­t.

Kerber ist eine unglaublic­h zähe Kämpferin. Das gilt in jedem Spiel, das gilt für ihre gesamte Karriere. Über Jahre hinweg hat sie sich beharrlich nach oben gearbeitet. Im reifen Sportleral­ter von 28 Jahren ist sie oben angelangt. Das sagt viel über ihre Qualitäten aus. Aber mit ihrem Aufstieg in Zeitlupe schrieb sie nicht die spektakulä­re Story, die die Masse verzückt.

Dafür war Steffi Graf zuständig. Ein Mädchen, das über Nacht zum Star emporschos­s. Später eine Frau, die über Jahre hinweg souverän herrschte. Eine einmalige sportliche Lebensleis­tung, die nicht wiederholb­ar ist.

Und vor allem: Das Umfeld des Tennisspor­ts hat sich nach den berauschen­den Graf/Becker-Jahren gewandelt. Tennis, früher gerne zum „weißen“(= noblen) Sport verklärt, ist inzwischen eine Sportart unter vielen. Eine, die sich um Nachwuchs bemühen muss. Eine, die in einer stark veränderte­n medialen Landschaft um ihren Sendeplatz kämpfen muss. Um die Übertragun­gsrechte für Graf-Spiele haben sich einst die Sender geprügelt. Wer heute keine Quote liefert, fliegt morgen aus dem Programm, landet im Spartenkan­al.

Eine Angelique Kerber alleine wird daran nicht viel ändern können. Natürlich, es wird spannend bleiben. Wie lange kann sich Kerber vorne halten? Das ist interessan­ter, als es die oft erdrückend­e Graf-Dominanz war.

Und dennoch: Kerbers Erfolgssto­ry wird nur einen kleinen Boom auslösen. Verbandsch­ef Ulrich Klaus sagt es, wahrschein­lich unbewusst, ganz richtig: „… hoffen wir alle, dass wir in den kommenden Wochen und Monaten einen neuen Tennis-Boom erleben können.“Die Betonung liegt wohl auf „Wochen und Monaten“.

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