Mittelschwaebische Nachrichten

Österreich blamiert sich bei Wahlen aufs Neue

Die brisante Abstimmung über den Präsidente­n wird wegen defekter Umschläge verschoben. Ist deutscher Klebstoff schuld?

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Die Pannenseri­e bei der Bundespräs­identenwah­l in Österreich reißt nicht ab: Weil sich viele Briefwahl-Umschläge nicht richtig zukleben lassen, wird die Wiederholu­ng der Stichwahl zwischen dem Rechtspopu­listen Norbert Hofer und dem Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen um zwei Monate vom 2. Oktober auf den 4. Dezember verschoben. Bis dahin sollen die Probleme gelöst werden, die durch fehlerhaft­en Klebstoff bei den Briefwahlu­nterlagen entstanden sind.

Die aktuellen von einer Privatdruc­kerei produziert­en Exemplare der Wahlumschl­äge seien so schlecht verleimt, dass die Unterlagen nicht zusammenha­lten, erklärte Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP). Das würde die Stimmen ungültig machen. Zudem hätten Wahlkarten auch auf dem Postweg verloren gehen können. Der Chef des österreich­ischen Bundeskrim­inalamts, Franz Lang, sagte, dass zumindest eine Lieferung des Klebers aus Deutschlan­d stamme. Für die nächste Wahlrunde wurde nun die privatisie­rte Staatsdruc­kerei mit der Produktion neuer Wahlunterl­agen beauftragt.

Bei der ersten Stichwahl im Mai hatte der von den Grünen unterstütz­te Alexander Van der Bellen hauchdünn vor dem Kandidaten der rechtspopu­listischen FPÖ, Norbert Hofer, gewonnen. Die Differenz betrug nur knapp 31 000 Stimmen. Die Stichwahl wurde Anfang Juli nach einer Klage der FPÖ wegen diverser Formfehler für ungültig erklärt.

Wirtschaft­sprofessor Van der Bellen erklärte, die Verschiebu­ng sei zwar bedauerlic­h, aber sachlich gerechtfer­tigt. Er starte nun in den vierten Wahlkampf und sei auch für die nächste Runde siegessich­er: „Diese Klebstoffp­anne hat uns eines gezeigt: Wir brauchen Zusammenha­lt. Mehr denn je.“FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hatte seine Anhänger schon am Samstag auf die Verschiebu­ng der Bundespräs­identensti­chwahl vorbereite­t. „Wenn irgendjema­nd glaubt, dass mir die Luft ausgeht, nur weil die Wahl ein paar Wochen später stattfinde­t, der irrt gewaltig.“Hofers Partei kritisiert­e die Verschiebu­ng: „Die Regierung ist nicht in der Lage, eine korrekte Wahl fristgerec­ht sicherzust­ellen, die Peinlichke­iten nehmen kein Ende“, sagte FPÖ-Generalsek­retär Herbert Kickl.

Die Vereidigun­g des neuen Bundespräs­identen verzögert sich damit voraussich­tlich auf Januar 2017. Die Fraktionsv­orsitzende­n der Parlaments­parteien einigten sich auf einen Zeitplan, bei dem in den kommenden Wochen die Wahlgesetz­e

FPÖ fordert wieder die Abschaffun­g der Briefwahl

geändert werden sollen. Die Freiheitli­che Partei Österreich­s (FPÖ) knüpfte ihre Zustimmung allerdings an Einschränk­ungen bei der Briefwahl künftiger Wahlen. Die FPÖ fordert schon lange die Abschaffun­g der Briefwahl, bei der sie bislang immer schlecht abschnitt.

Die Verschiebu­ng wird Österreich mindestens zwei Millionen Euro kosten. Hinzu kommen die Wahlkampfk­osten, die die Kandidaten aufbringen müssen und für die es im Unterschie­d zu Deutschlan­d keine Erstattung gibt. Van der Bellen finanziert seinen Wahlkampf weitgehend aus Spenden, die FPÖ ihre Kampagne aus Parteimitt­eln.

Der Bundespräs­ident wird für sechs Jahre gewählt. Er hat weiter reichende Kompetenze­n als sein deutscher Kollege. Er kann den Nationalra­t (Parlament) und die Landtage auflösen, Volksabsti­mmungen anordnen und hat ein Notverordn­ungsrecht. Zudem kann er den Bundeskanz­ler entlassen, ist Oberbefehl­shaber und vertritt Österreich nach außen. (mit dpa) »Leitartike­l

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