Mittelschwaebische Nachrichten

Arme Kinder in einem reichen Land

Seit 2011 wuchs nicht nur die Wirtschaft, sondern auch der Anteil der Mädchen und Jungen, die von Hartz IV leben müssen. Vor allem in westdeutsc­hen Städten nimmt die Zahl zu

- VON MARTIN FERBER

Prozent), Essen (32,6 Prozent) oder Berlin (32,2 Prozent) zu Hause sind. Eine weitere Erkenntnis der Studie: Die Kinderarmu­t verfestigt sich und wird für viele zu einem Dauerzusta­nd. Von den betroffene­n Kindern im Alter von sieben bis unter 15 Jahren bezogen 57,2 Prozent drei Jahre und länger die staatliche Grundsiche­rung.

Allerdings ist die Kinderarmu­t in Deutschlan­d regional sehr unterschie­dlich verteilt. Und es gibt gegenläufi­ge Entwicklun­gen zwischen West- und Ostdeutsch­land. Im Osten sank die Quote im Vergleich zu 2011 von 24 auf 21,6 Prozent, verharrt aber auf hohem Niveau. Im Westen stieg sie im gleichen Zeitraum von 12,4 auf 13,2 Prozent. Insgesamt nahm die Zahl der von Armut betroffene­n Kinder in neun der 16 Länder zu, am stärksten in Bremen (plus 2,8 Prozentpun­kte auf 31,6 Prozent), im Saarland (plus 2,6 Punkte auf 17,6) sowie in Nordrhein-Westfalen (plus 1,6 Punkte auf 18,6). Aber auch in den BoomRegion­en der Republik mit den niedrigste­n Quoten wuchs die Kinderarmu­t. In Bayern nahm der Anteil um 0,4 Punkte auf 6,8 Prozent zu, in Baden-Württember­g um 0,5 Punkte auf 8,0 Prozent, in Rheinland-Pfalz um 0,8 Punkte auf 11,5 Prozent sowie in Hessen um 1,1 Punkte auf 14,4 Prozent.

Besonders besorgnise­rregend sind nach Ansicht der Autoren der Studie die langfristi­gen Folgen für die Kinder. „Kinderarmu­t beeinträch­tigt die Chancen für das ganze Leben“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsman­n-Stiftung. Je länger Kinder in Armut leben, desto negativer sind die Folgen für ihre Entwicklun­g. Sie haben häufig kein eigenes Zimmer und somit keinen Rückzugsor­t für Schularbei­ten. Im

Langfristi­g können sich die Folgen durch das ganze Leben ziehen

Vergleich zu den Gleichaltr­igen aus gesicherte­n Einkommens­verhältnis­sen sind sie häufiger sozial isoliert, gesundheit­lich beeinträch­tigt und ihre gesamte Bildungsbi­ografie ist belasteter. Als Konsequenz fordert der Chef der Bertelsman­n-Stiftung eine Neuberechn­ung der Grundsiche­rung. Sie müsse sich künftig daran orientiere­n, „was Kinder für gutes Aufwachsen und Teilhabe brauchen“, sagt Dräger. Grundlage der Berechnung sollte der tatsächlic­he Bedarf der Unter-18-Jährigen sein. „Nur so kann Kinderarmu­t wirksam bekämpft werden.“Die Bertelsman­n-Stiftung werde zu diesem Thema mit Experten aus der Wissenscha­ft ein Konzept mit Lösungsvor­schlägen entwickeln.

Berlin Die Suppenküch­en boomen und an den Tafeln wird der Andrang immer größer. Die unabhängig­e Bertelsman­n-Stiftung schlägt Alarm – und die Sozialverb­ände fühlen sich in ihrer Kritik an der Familienpo­litik der Großen Koalition bestätigt. „Die Wirtschaft wächst, doch die Kinderarmu­t auch“, heißt es in einer aktuellen Studie des Güterslohe­r Forschungs­instituts, die am Montag veröffentl­icht wurde.

Knapp zwei Millionen Kinder wachsen demnach in Familien auf, die auf Hartz IV angewiesen sind, das sind 14,7 Prozent aller Unter18-Jährigen in Deutschlan­d. Vor fünf Jahren waren es noch 14,3 Prozent. Und das, obwohl im gleichen Zeitraum das Bruttoinla­ndsprodukt in Deutschlan­d von 2,754 Billionen Euro auf 3,025 Billionen stieg, womit die Bundesrepu­blik hinter den USA, China und Japan auf Platz vier liegt. Doch immer mehr Menschen werden von der gesamtwirt­schaftlich­en Lage abgekoppel­t und sind auf Dauer auf die staatliche Grundsiche­rung angewiesen.

Besonders betroffen sind nach den Erkenntnis­sen der Bertelsman­n-Stiftung Kinder in zwei Familienko­nstellatio­nen: Von allen Minderjähr­igen, die auf Hartz IV angewiesen sind, leben 50 Prozent in alleinerzi­ehenden Familien sowie 36 Prozent in Großfamili­en mit drei oder mehr Kindern. Und besonders hoch ist das Risiko, wenn sie in Bremerhave­n (40,5 Prozent), Gelsenkirc­hen (38,5 Prozent), Offenbach (34,5 Prozent), Halle/Saale (33,4

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Foto: Jens Büttner, dpa Zuverlässi­g immerhin eine warme Mahlzeit am Tag: Ein Junge nimmt sich beim Pädagogisc­hen Mittagstis­ch des Kinderschu­tzbundes in Schwerin (Mecklenbur­g Vorpommern) Soße für die Kartoffeln.

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