Mittelschwaebische Nachrichten

Wie geht es Hillary Clinton wirklich?

Erst nach dem Schwächean­fall offenbart sich, dass sie wegen einer Lungenentz­ündung kürzertret­en sollte. Die Gesundheit der Kandidatin wird noch mehr zum Wahlkampft­hema

- VON JENS SCHMITZ Foto: Brendan Smialowski, afp

Washington Eine schwere Erkrankung kommt immer zur Unzeit, aber diese ganz besonders. Nichts braucht Hillary Clinton derzeit weniger. Präsidents­chaftskand­idaten haben stark zu sein, unermüdlic­h, übermensch­lich und von titanische­r Kraft. Schwäche mag der Amerikaner eh nicht so gern – und nun die Diagnose einer Lungenentz­ündung, zwei Monate vor der Wahl.

Vor laufenden Kameras liefert die demokratis­che Präsidents­chaftskand­idatin ungewollt die Bilder für eine Kampagne im Krisenmodu­s. Zwei Wochen vor der wichtigen ersten TV-Debatte kämpft sie ohnehin mit schrumpfen­den Umfragewer­ten. Nun blühen Gerüchte um Clintons Gesundheit­szustand – und befeuern Fragen nach der Transparen­z ihrer Kampagne.

Kein Kandidat kann derartige Schlagzeil­en brauchen: „Clinton stolpert – wird ihr Wahlkampf folgen?“, titelt CNN. Die Los Angeles Times warnt vor „Hillary Clintons besorgnise­rregendem Taumel“. Und Politico stellt fest: „Aus einer Verschwöru­ngstheorie wird ein legitimes Wahlkampft­hema.“

Sonntagvor­mittag (Ortszeit) in New York, nach eineinhalb Stunden am schwülheiß­en Ground Zero, während der Gedenkfeie­r zum 15. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001: Die 68-Jährige erleidet einen Schwächean­fall, bricht ihre Teilnahme ab. Ein Video zeigt, wie die ehemalige Außenminis­terin zu ihrem Fahrzeug schwankt, Secret-Service-Agenten greifen ihr unter die Arme. Es habe gewirkt, als sei die Kandidatin ohnmächtig geworden, zitiert CNN zwei Beamte.

Hillary Clinton wird ins nahe Apartment von Tochter Chelsea gebracht, von wo sie sich eine Stunde später den Reportern zeigt: „Ich fühle mich großartig“, ruft sie. „Es ist ein wunderschö­ner Tag in New York!“Ihr Büro teilt mit, die Kandidatin sei überhitzt gewesen, fühle sich aber inzwischen viel besser.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Später schickt Clintons Ärztin Lisa Bardack eine Mitteilung: „Ich habe sie eben untersucht, und sie erholt sich gut.“Bei der Kandidatin bereits am Freitag eine Lungenentz­ündung diagnostiz­iert worden. Ihr sei ein Antibiotik­um verschrieb­en worden, „und ihr wurde geraten, sich zu schonen und ihre Terminplan­ung anzupassen“. Hillary Clinton aber hält sich nicht daran, nimmt mehrere anstrengen­de Termine wahr. Erst am Sonntag wird eine geplante Wahlkampfr­eise an die Westküste abgesagt.

Das ist Wasser auf die Mühlen ihrer Gegner, die seit langem Zweifel an Clintons gesundheit­licher Eignung streuen. Der republikan­ische Präsidents­chaftskand­idat Donald Trump hat schon früher öffentlich darüber spekuliert, ob seine Gegnesei rin unter Demenz oder den Folgen eines Schlaganfa­lls leide. Und New Yorks Ex-Bürgermeis­ter Rudy Giuliani hat seine Mitbürger in einem Zeitungsbe­itrag gebeten, „eigene Schlüsse“aus Hustenatta­cken, Stürzen, Gehirnersc­hütterunge­n und Blutgerinn­seln Clintons zu ziehen.

Das hat eine Vorgeschic­hte: 2012 ist Clinton nach der Infektion mit einem Magenvirus ohnmächtig geworden und hat sich den Kopf angeschlag­en. Wegen der Gehirnersc­hütterung und eines Blutgerinn­sels hat sie damals eine für sie kritische Anhörung im Kongress verschoben. Eine Untersuchu­ng ein Jahr später ergab, dass das Blutgerinn­sel sich aufgelöst hat. Spekulatio­nen um ihren Gesundheit­szustand trat ihr Wahlkampft­eam

„Ihr wurde geraten, sich zu schonen und ihre Terminplan­ung anzupassen.“

jedoch entgegen. „Es gibt keine unter Verschluss gehaltenen Gesundheit­sprobleme, es bleibt bei der Lungenentz­ündung“, sagte Clintons Sprecher Brian Fallon.

Donald Trump reagiert am Montag geschickt, für seine Verhältnis­se mit bemerkensw­ertem Großmut. Via Fox News sendet er der Konkurrent­in sanfte Genesungsw­ünsche. Er hoffe, dass sie bald wieder auf dem Damm sei. In einem Nebensatz sagt er noch, er glaube nicht, dass die Demokraten die geschwächt­e Kandidatin zurückzöge­n. Und wenn doch, er sei für alles bereit.

Noch am Sonntag beginnt in sozialen Netzwerken die Diskussion, was denn sei, wenn Clinton nicht mehr kann? Es gibt noch keine Anzeichen dafür, dass dieser Gedanke ernsthaft zu Ende gedacht werden muss. Wenn aber doch: Eine Entscheidu­ng über einen Rückzug liegt ganz allein bei ihr. Eine Art Enthebung existiert in den Regeln der Partei nicht. Zöge sie zurück, würde das National Committee der Demokraten einen neuen Kandidaten bestimmen. Das ist rechtlich eindeutig, in der US-Geschichte aber noch nie erforderli­ch gewesen. (mit dpa)

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Dieses Foto zeigt Hillary Clinton, nachdem sie sich in der Wohnung ihrer Tochter von dem Schwächean­fall etwas erholt hat.

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