Mittelschwaebische Nachrichten
Was Versicherer über uns wissen
Die Unternehmen tauschen Informationen zum Beispiel über Vorerkrankungen oder riskante Hobbys aus. Doch die Allianz macht da nicht mehr mit
Stuttgart Wer einen Antrag auf eine Versicherung stellt, muss damit rechnen, dass die Daten gespeichert werden. Die Versicherer können Auffälligkeiten an eine zentrale Datei melden. Doch nicht alle spielen mit. Die Allianz Lebensversicherung speist seit Anfang des Jahres keine Daten mehr über Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen ein. Der Erkenntnisgewinn sei nicht hoch genug gewesen, um die Aufwände und Kosten zu rechtfertigen.
Was ist das Hinweis- und Informationssystem (HIS) der Versicherer?
Das System ist eine klassische Auskunftei ähnlich der Schufa, die für Kredite relevante Informationen sammelt. Es soll helfen, Risiken bei Anträgen besser zu bewerten und Betrugsfälle aufzuklären. Auf diese Weise werde das gesamte auf Solidarität basierende System gestärkt, sagen die Versicherer. Denn ein Betrüger schadet anderen Versicherten, die sich an die Regeln halten. Seit 2011 wird das System von der zur Bertelsmann-Gruppe gehörenden Informa GmbH betrieben.
Welche Daten werden wie gesammelt?
Gesammelt werden Informationen aus allen Versicherungssparten außer der privaten Krankenversicherung. Die Informationen werden nach Sparten getrennt und in zwei Pools gespeichert: für Anträge und für den Leistungsfall. Gespeichert werden Personen oder Objekte wie Fahrzeuge und Gebäude. Meldekriterien sind die Häufung von Schadensmeldungen, andere Auffälligkeiten bei Schadensmeldungen, die auf Betrug hinweisen und besondere Risiken. Das können im Falle von Berufsunfähigkeitsversicherungen gefährliche Berufe, Vorerkrankungen, aber auch riskante Hobbys sein.
Was machen Versicherer mit den Daten?
Zunächst geht es um einen Abgleich. Der Versicherer stimmt die Informationen aus dem Antrag mit denen im HIS ab. Gibt es starke Abweichungen, kann er beim Antragssteller nachhaken. Ob ein Antrag wegen einer Meldung im System abgelehnt wird, kommt auf den Inhalt an. Die Meldung allein darf nicht dazu führen, dass der Antrag abgelehnt wird.
Welches Problem sehen Verbraucherschützer?
Die Informationen können dazu führen, dass zum Beispiel im Falle von Berufsunfähigkeitsversicherungen kein Vertrag zustande kommt. Bei ungünstigen Schadensverläufen habe es Fälle gegeben, in denen Versicherten gekündigt wurde und sie keinen neuen Vertrag bekamen, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Auch bei Berufsunfähigkeitsversicherungen könne das von Nachteil sein. Liege eine schwere Erkrankung, die zu einer Verweigerung der Versicherung geführt habe, etwa vier bis fünf Jahre zurück, bleibe das im ungünstigen Fall noch über fünf weitere Jahre in der Datei gespeichert. Bei Berufsunfähigkeitsversicherungen oder Risiko-Lebensversicherungen fragen die Versicherer in der Regel den Krankheitsverlauf der vergangenen fünf Jahre ab.
Wie steht es mit dem Datenschutz?
Die Daten werden nach dem Datenschutzgesetz vier Jahre lang gespeichert. Allerdings beginnt die Rechnung mit dem Kalenderjahr. Im schlimmsten Fall stecken die Informationen also knapp fünf Jahre im System. Die Frist kann sich auch verlängern, wenn eine weitere Meldung eingeht.
Woher weiß ich, welche Daten gespeichert wurden?
Der Versicherer muss die Betroffenen darüber informieren, wenn Daten weitergegeben werden. Außerdem können Versicherte einmal pro Jahr eine kostenlose Anfrage an die Informa HIS GmbH stellen.
Wer schert neben der Allianz noch aus?
Neben der Allianz liefern auch die Aachen Münchener oder die Hannoversche Leben bei Lebensversicherungen keine Daten an das System. Bei den Kfz-Versicherungen hingegen sind laut Informa fast alle am deutschen Markt tätigen Versicherer dabei. Annika Grah, dpa