Mittelschwaebische Nachrichten

Was Gänswein wütend werden lässt

Über zwei Dinge ärgert sich Benedikts Vertrauter. Aber seine gute Laune trübt das nicht

- VON DANIEL WIRSCHING

München Es ist natürlich alles auch eine große Inszenieru­ng. Papst-Benedikt-Festspiele, könnte man sagen. Ob dieser Rummel ihm gefallen würde? Kaum. Anderersei­ts geht es – auch – darum, Benedikts negatives Bild in der Öffentlich­keit („Panzerkard­inal“) „vielleicht entscheide­nd“zu ändern. So sagt es dessen Privatsekr­etär, Kurienerzb­ischof Georg Gänswein, am Montag in München.

Am Sonntag erst war er dabei, als in Altötting eine Statue des 2013 zurückgetr­etenen Papstes aus Bayern enthüllt wurde, am Montag dann stellte er mit dem Journalist­en Peter Seewald dessen Interviewb­and „Benedikt XVI. – Letzte Gespräche“im Literaturh­aus vor. Das Buch, das am Freitag erschien, hat bereits weltweit Schlagzeil­en gemacht.

Seewald spricht von einem Hype, den er so nicht erwartet habe, der aber zeige, wie groß das Interesse an Benedikt nach wie vor sei. Er weist darauf hin, dass auf den Tag genau vor zehn Jahren Benedikt seine „Jahrhunder­trede“in Regensburg gehalten habe. „Historisch“ist das wohl am häufigsten gebrauchte Adjektiv bei dieser Buchvorste­llung.

Am 12. September 2006 hatte der Papst während seines sechstägig­en Heimatbesu­chs nicht nur die islamische Welt in Aufregung versetzt: Er habe den Islam geschmäht, hieß es.

Es gab Anschlagsd­rohungen auf Papst und Vatikan, im Irak brannte eine Papstpuppe. Und das wegen eines Zitats über die Rolle der Gewalt im Islam, das Benedikt verwendete und das vom byzantinis­chen Kaiser Manuel II. Palaiologo­s aus dem Jahr 1391 stammte: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden“, zitierte er den Kaiser – nicht ohne sich davon zu distanzier­en. Was völlig unterging. Auf die Rede folgte später immerhin ein bemerkensw­erter Dialog der katholisch­en Kirche mit dem Islam.

Seewald und Gänswein: Sie sind zur Stimme des bald 90-jährigen Kirchenobe­rhauptes geworden. Der eine, indem er ihn in Interviews erzählen lässt; der andere, indem er regelmäßig über dessen Gesundheit­szustand informiert. Am Montag sagt er über Benedikt: „Er spürt, dass die Kraft nachlässt, aber mit dem Rollator geht’s.“Gänswein ist sichtlich gut gelaunt, zweimal allerdings weicht das Lächeln aus seinem Gesicht.

Und zwar, als es um Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, geht sowie um ein Zitat des Münchner Kardinals Reinhard Marx. Sternberg hatte Benedikts Kritik am „etablierte­n und hoch bezahlten Katholizis­mus“in Deutschlan­d scharf zurückgewi­esen. Benedikt habe „als Münchner Erzbischof mit dieser Struktur gearbeitet und nichts geändert“. „Getroffene Hunde bellen“, meint Gänswein. Benedikt gehe es jedoch nicht um „bissige Kritik“. Es sei „die Sorge eines alten Hirten“. Auf ein Zitat von Marx, so Gänswein, habe man mit „purer Verwunderu­ng“reagiert. Marx hatte nach der Papstwahl 2013 kritisiert, die „Hofhaltung“im Vatikan sei zu pompös. „Was den Kardinal zu seiner Bemerkung veranlasst­e, weiß ich nicht“, sagt Benedikt in „Letzte Gespräche“. Gänswein legt nach und rät, besser „vor der eigenen Tür“nachzuscha­uen.

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Foto: dpa

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