Mittelschwaebische Nachrichten
Ist hier ein Nazi-Goldzug versteckt?
Ein Pole und ein Deutscher meinen, einen Schatz in einem verborgenen Tunnel entdeckt zu haben. Als sie danach graben, finden sie nichts. Viele freuen sich darüber
Walbrzych Gold, wohin das Auge blickt: Goldbarren-Konfekt in Souvenirläden, Cafés und Kiosken. „Goldzug“-Bier und „Goldzug“-Wein wird in Kneipen und Restaurants ausgeschenkt. Eisverkäufer in „Goldzug“-T-Shirts preisen lauthals „Goldzug“-Eis an. Kein Zweifel, die niederschlesisch-polnische Industriestadt Walbrzych hat den Kohlenstaub abgeschüttelt und stürzt sich in den Goldrausch. Und das nur, weil vor etwa einem Jahr ein Pole und ein Deutscher behaupteten, in der Nähe liege ein NaziPanzerzug begraben.
Inzwischen haben die beiden nach dem Zug gesucht, gefunden haben sie nichts. Doch auch das Ungeheuer von Loch Ness lockt seit Jahrzehnten Touristen an, ohne dass seine Existenz je bewiesen wurde. Aufgeben wollen die Forscher nicht. Sie möchten ihre Grabung fortsetzen. Und das möglichst bald.
Angefangen hat alles vergangenen August. Da erklärten Piotr Koper und Andreas Richter aus Sachsen, dass sie mit geothermischen Messgeräten auf die Spuren eines rund einen Kilometer langen Tunnels gestoßen seien. Möglicherweise stehe dort ein Panzerzug der Nazis, bela- den mit „Metallerzen für Militärzwecke“. Der Ort: Kilometer 65 an der Bahnstrecke von Wroclaw (Breslau) nach Walbrzych (Waldenburg) sieben Meter unter der Erde.
Seit Jahrzehnten kennen Touristen die Legende vom verschütteten „Goldzug der Nazis“. Sie hören sie, wenn sie das Tunnellabyrinth Komplex Riese im Eulengebirge besichtigen oder das geheimnisumwitterte Schloss Fürstenstein (heute Ksiaz). Und so wurde aus den „Metallerzen“der sagenhafte „Nazi-Goldschatz aus Breslau“und aus dem Panzerzug der „Goldzug“.
Schon bevor die Grabung losging, äußerten Wissenschaftler Zweifel, ob die von Koper und Richter vorgelegten Messbilder als Beweis taugen. Historiker gaben zu bedenken, dass es keine Dokumente gebe, die die Existenz und Abfahrt des „Goldzuges“von Breslau nach Waldenburg Ende 1944 oder Anfang 1945 bestätigen würden.
Anders als bei bisherigen Suchaktionen warfen Polens Behörden den Schatzsuchern aber keine Knüppel zwischen die Beine. Waldarbeiter fällten Bäume an der Suchstelle. Die Armee rückte an und untersuchte das Gelände auf nicht explodierte Bomben oder Gasbehälter aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Geologen von der Akademie für Bergbau und Hüttenwesen (AGH) in Krakau inspizierten den Ort. Sie kamen zu dem Befund, dass an der Suchstelle zwar „Boden-Unregelmäßigkeiten“festzustellen seien, von einem Panzeroder gar Gold-Zug aber keine Rede sein könne. Doch weder Schatzsucher noch Beamte ließen sich davon beeindrucken.
Am 16. August 2016 rollten die Bagger an. Zehn Tage später musste Schatzsucher Koper bekennen: „Da, wo wir gesucht haben, gibt es keinen Tunnel und erst recht keinen Zug. Aber das heißt nicht, dass es Tunnel und Zug überhaupt nicht gibt. Wir werden weitersuchen.“Und das, sobald sie Sponsoren für eine zweite Expedition gefunden haben.
Nach einem Jahr Goldzug-Suche haben vor allem andere verdient. Walbrzych ist kaum wiederzuerkennen. Die grau-depressive Bergarbeiterstadt blüht auf. Die Touristen bringen Geld in die Stadt. Häuser werden renoviert und bunt gestrichen, neue Restaurants und Souvenirläden eröffnet. Viele hoffen nun, dass der „Goldzug“sowie das Ungeheuer von Loch Ness nie gefunden werden. (mit dpa)