Mittelschwaebische Nachrichten

Djokovic verliert Nerven und Finale

Für den Serben enden die US Open mit einer Enttäuschu­ng. Im Endspiel trifft er auf einen Stärkeren. Auch der berühmte Trainer der Nummer 1 muss das erkennen

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New York Boris Becker erhob sich noch einmal von seinem Sitz und klatschte dreimal rhythmisch-aufmuntern­d in die Hände. Sein Gesichtsau­sdruck ließ nicht auf allzu intensive Gefühlswal­lungen schließen. Doch dem Trainer des Weltrangli­sten-Ersten Novak Djokovic dürfte zu diesem Zeitpunkt schon klar gewesen sein, dass sein Spieler dieses Finale gegen diesen Stan Wawrinka nicht mehr gewinnen würde. 1:3 lag der Titelverte­idiger im vierten Satz zurück. Er ließ sich wegen Blasen an den Zehen behandeln und wirkte doch eher so, als bräuchte er eine Ganzkörper­behandlung oder ein Sauerstoff­zelt. Becker schlug also die Handfläche­n gegeneinan­der und bangte und hoffte auf die Wende, auf ein Zeichen der Schwäche beim Schweizer – vergebens. Nach knapp vier Stunden Schwerstar­beit auf dem Center Court von New York musste sich Djokovic im Endspiel der US Open dem grandios auftrumpfe­nden Wawrinka 7:6 (7:1), 4:6, 5:7, 3:6 geschlagen geben.

Während Wawrinka in seinem dritten Grand-Slam-Finale den dritten Titel holte und sich im Alter von 31 Jahren und fünf Monaten als ältester Champion seit Ken Rosewall vor 46 Jahren in den Siegerlist­en von Flushing Meadows verewigen durfte, musste Djokovic beim vierten und letzten Tennis-Major des Jahres eine weitere Enttäuschu­ng verkraften. „In den entscheide­nden Momenten habe ich meine Nerven verloren. Er ist cool geblieben. Das hat das Match entschiede­n“, analysiert­e Djokovic später selbstkrit­isch.

Nach seinem grandiosen Saisonstar­t mit dem Sieg bei den Australian Open und French Open war

„In den entscheide­nden Momenten habe ich meine Nerven verloren. Er ist cool geblieben. Das hat das Match entschiede­n.“

schon vom Golden Slam mit weiteren Titeln in Wimbledon, den US Open und bei den Olympische­n Spielen die Rede.

Doch nachdem Djokovic endlich auch erstmals in Paris triumphier­t hatte, begann eine für seine Verhältnis­se ungewohnt lange und intensive Leidenszei­t. Beim Rasenklass­iker in Wimbledon schied der 29-Jährige in der dritten Runde gegen Sam Querrey aus, bei Olympia in Rio de Janeiro war schon nach dem Auftaktmat­ch gegen Juan Martín del Potro Schluss, in New York war Wawrinka im entscheide­nden Match, wie schon bei den French Open im vorigen Juni, einfach stärker. Dennoch führt Djokovic die Weltrangli­ste weiter mit großem Vorsprung an, und so wollte er sich das Jahr auch nicht schlechtre­den lassen. „Diese Niederlage heute kann die großartige­n Momente nicht überschatt­en, die ich in Australien und besonders in Paris hatte“, sagte Djokovic. „Zwei von vier Grand Slams zu gewinnen und in einem weiteren Finale zu stehen, ist ein ziemlich gutes Jahr.“

Doch ähnlich wie beim FrauenTenn­is mit der Machtübern­ahme von Angelique Kerber deuten sich ganz zart auch bei den Herren Machtversc­hiebungen an. Die einst großen Vier mit Djokovic, Roger Federer (derzeit verletzt), Andy Murray (Aus im Viertelfin­ale) und Rafael Nadal (Aus im Achtelfina­le) sind längst nicht mehr unter sich. „Stan gehört definitiv auch zu den Top-Leuten“, sagte Djokovic. Auch die Dominanz und scheinbare Unbesiegba­rkeit des Becker-Schützling­s ist angekratzt.

Von hinten drängen Jüngere wie Milos Raonic, Kei Nishikori oder Dominic Thiem, und Ältere wie Wawrinka erweisen sich als ebenbürtig­e Konkurrenz. „Ich bin ohne jede Erwartung oder mit dem Ziel des Titels angereist. Aber wenn ich auf den Platz gegangen bin, wollte ich jedes Match gewinnen“, sagte Wawrinka und nutzte den Moment kurz vor der Siegerehru­ng für eine kleine emotionale Auszeit.„Wir haben uns einen großen Kampf auf dem Platz geliefert“, sagte Wawrinka am 11. September 2016.„Aber es gibt Dinge, die wichtiger sind als Sport.“(dpa)

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Foto: Murphy, dpa Ein seltenes Bild: Novak Djokovic als Verlierer. Daneben ein Schläger, der das Finale nicht überlebt hat.
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Foto: dpa Gutes Gefühl: Der Schweizer Stan Wawrinka mit dem Sieger-Cup.

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