Mittelschwaebische Nachrichten
Tourismus: Wachstum trotz Terror
Laut dem Economic Impact Report 2016 des World Travel & Tourism Council (WTTC) wächst der Tourismus auch in diesem Jahr – trotz Terror, politischer Unruhen, wirtschaftlicher Unsicherheiten und Brexit. Erwartet werden demnach 3,1 Prozent, das Wachstum der gesamten Weltwirtschaft liegt bei 2,3 Prozent. Angeführt wird das Wachstum von Südostasien mit 5,9 Prozent, während Europa sich mit 2,2 Prozent begnügen muss. Das liegt auch an der Türkei, die wegen der Anschläge und der politischen Situation weit weniger Touristen zählt als gewöhnlich. Wenig Einfluss auf das Wachstum des Tourismus scheint der Brexit zu haben. Während die Briten weniger für ihren Urlaub ausgeben, kommen mehr ausländische Urlauber nach Großbritannien, weil der Wechselkurs günstig ist. Der Report zeige, so David Scowsill, President & CEO, WTTC, die positive Widerstandsfähigkeit des Tourismus, der den einzelnen Ländern soziale und wirtschaftliche Vorteile bringe und Menschen in aller Welt miteinander verbinde. (li)
Ein lichter Kiefernhain, durch den der Himmel blau und das Meer dunkel schimmert. Am Boden wachsen Dünengras, Brombeerranken und Farne. Gemulchte Wege oder auch solche mit Holzbohlen führen wenige Meter weit durch die bewachsene Düne, dann ist der Strand da. Der Strand der Prorer Wiek. Er gilt als der schönste auf Rügen. Mit pudrigem Sand, hell und breit. Und so sanft und allmählich ins Meer abfallend, dass Kinder hier wie in einem Planschbecken in der Ostsee spielen können. Wem es hier nicht gefällt, dem ist nicht zu helfen, könnte man meinen. Vielleicht kann er sich aber auch einfach nicht anfreunden mit diesem Ort. Mit seiner Vergangenheit.
„Diesen Platz liebt man. Oder man hasst ihn. Dazwischen gibt es nichts“, sagt Ulrich Busch. Der 52-Jährige ist der Mann, der die Auferstehung von Prora angestoßen hat. Vom einstigen Nazi-Seebad zum Nobeldomizil der Gegenwart. Von der denkmalgeschützten FastRuine zur wärmeisolierten TeuerImmobilie. Wer, bitte, hätte noch vor 15 Jahren ernsthaft daran geglaubt, dass aus den monströsen und düsteren fünf Gebäudekomplexen am Ostseerand, aus dem betonierten Vermächtnis zweier Diktaturen, eine Feriendylle werden könnte. Es ist seine Geschichte, die diesen Ort besonders macht. Er kann sie nicht abschütteln, spätestens seit 1994 – seit die knapp fünf Kilometer lange und leicht geschwungene Gebäudelinie unter Denkmalschutz steht.
In den Jahren von 1936 bis 1939 entstand hier das „Seebad der 20 000“. Angeblich hatte Adolf Hitler selbst die Idee dafür, da gewesen ist er nie. Wohl aber sein Handlanger Robert Ley. Der Chef der Organisation „Kraft durch Freude“sollte dafür sorgen, dass die Volksgemeinschaft
Mit Kriegsbeginn wurde der unvollendete Bau eingestellt
sich nicht nur mit KdFKreuzfahrten erholen konnte. Sie sollte auch baden gehen – und alles immer schön unter politischer Beeinflussung. Dafür also das Seebad in Prora, ein Monsterprojekt. Täglich sollten – so die Planung – 2000 bis 3000 Urlauber anreisen. In kleine Zimmer zwar, dafür aber alle mit Blick zum Meer. Dazu eine beeindruckende, 2000 Quadratmeter große Empfangshalle. Zwei Seebrücken in die Ostsee. Eine repräsentative Promenade.
Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs war der Rohbau weitgehend fertig: Acht Bettenhäuser, jedes 500 Meter lang, darin offene Liegehallen, damit man die gute Seeluft auch bei schlechtem Wetter atmen konnte. Angereist ist nie jemand: Mit Kriegsbeginn wurde der unvollendete Bau eingestellt. Im Krieg zeit- und teilweise als Lazarett genutzt. Danach als Obdach für Flüchtlinge. Und schließlich, zu DDR-Zeiten, als Kaserne im Sperrgebiet. Alle Ausbauten fanden erst da statt – vom Einbau von Fenstern bis zum Putz.
Von den acht Bettenhäusern blieben fünf. Nach der Wiedervereinigung übernahm die Bundeswehr das Gelände, gab es 1992 auf. 1994 wurden die NS-Bauten, dann schon die Hinterlassenschaft zweier Diktaturen, unter Denkmalschutz gestellt. Das Bundesvermögensamt – heute die Bima – begann seine Suche nach Investoren. Und wer auch immer geglaubt hatte, niemand würde Hand an die düstere Kulisse legen, hatte sich getäuscht.
Die – dank bester Strandlage – Traumimmobilie wurde ein Investorenprojekt. Jetzt entstehen hinter den alten Mauern Eigentumswohnungen und Ferienapartments. Zu Quadratmeterpreisen von inzwischen bis zu 10000 Euro im Penthouse. Eine der größten baulichen Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus verschwindet in einer stylischen Kulisse. Nicht gut findet das Jens Seidler vom Dokumentationszentrum Prora, das im mittleren Block des einstigen KdF-Seebads untergebracht ist, dem die Umwandlung noch bevorsteht. Auch hier soll aber, so viel ist klar, nichts so bleiben, wie es war. Strahlendes Weiß ist geplant, Balkone aus Glas, dem Dokumentationszentrum wurde gekündigt – schon zum zweiten