Mittelschwaebische Nachrichten

Jeder will auskömmlic­he Renten, aber wer soll dafür bezahlen?

Leitartike­l Das System muss sich der älter werdenden Gesellscha­ft anpassen. Vor teuren Reformen sollte die Politik allerdings ein paar Grundsatzf­ragen klären

- VON JOACHIM BOMHARD bom@augsburger-allgemeine.de

Die ungelösten Probleme in der Rentenpoli­tik hat die Berliner Koalition drei Jahre vor sich hergeschob­en. Jetzt drängt die Zeit. In den Debatten geht die notwendige Sachlichke­it verloren, je näher das Wahljahr 2017 rückt. Die zentrale Frage: Auf wessen Rücken werden wünschensw­erte Reformen finanziert?

Nicht von ungefähr hat der DGB in der vergangene­n Woche die große Keule geschwunge­n. Er warnte vor Altersarmu­t und sozialem Abstieg von Millionen heute noch jüngeren Menschen in den Jahren 2040 oder 2050 und verlangte die Wende bei der Rente. In Wahlkampfz­eiten sind Politiker schließlic­h oftmals zu größeren Zugeständn­issen bereit als sonst.

Ob die Regierende­n in Berlin deshalb das absichtlic­he Absenken des Rentennive­aus umkehren werden, darf bezweifelt werden – das Grundprobl­em der älter werdenden Gesellscha­ft und der damit steigenden Rentenausg­aben ist ja nicht aus der Welt. Eher besteht die Gefahr neuer populistis­cher Wahlverspr­echen für einzelne Zielgruppe­n, wie jüngst aus der CSU, die Eltern während der Kindererzi­ehung beim Rentenbeit­rag entlasten will. Die Mütterrent­e aus dem letzten Wahlkampf lässt grüßen.

Die Regierung müht sich ohnehin noch mit den „Altlasten“aus dem Koalitions­vertrag. Mit der etwas komplizier­ten Flexi-Rente und mit der teueren solidarisc­hen Lebensleis­tungsrente. Außerdem steht immer noch die Anpassung der Ostrenten an das Westniveau auf dem Programm, wofür allein in den Jahren 2018 bis 2020 insgesamt 7,5 Milliarden Euro gebraucht werden. Längst ist der Streit darüber entbrannt, wer alles bezahlen soll: Die Steuerzahl­er insgesamt, wogegen sich Finanzmini­ster Schäuble wehrt, oder ausschließ­lich die Beitragsza­hler, womit beispielsw­eise Beamte und Selbststän­dige außen vor blieben. Es ist eine Grundsatzf­rage, die schon bei der Mütterrent­e fälschlich­erweise zulasten der Beitragsza­hler entschiede­n wurde.

Die Flexi-Rente, wenn sie nicht mit allzu viel bürokratis­chen Finessen ausgestatt­et wird, lässt sich vermutlich schnell umsetzen, weil sie relativ aufkommens­neutral und eher dazu geeignet ist, weitere Beitragsei­nnahmen für die Rentenvers­icherung zu generieren. Schon heute liegt der Gesetzentw­urf des Bundestags auf dem Tisch des Bundeskabi­netts. Grundsätzl­ich betrachtet geht es um erweiterte Möglichkei­ten eines Ausgleiten­s aus dem Arbeitsleb­en, um ein Anpassen an die besonderen Fähigkeite­n und die im individuel­len Fall eingeschrä­nkten Möglichkei­ten älterer Arbeitnehm­er, letztendli­ch auch um ein Aufstocken manch zu mager ausfallend­er Rente. Der abrupte Übergang ins Rentnerdas­ein mit den starren, teils abschrecke­nden Zuverdiens­tregeln soll aufgeweich­t werden. Es ist auch eine Antwort auf das Älterwerde­n der Menschen und ein Fingerzeig für die Zukunft, in der sich das Rentenalte­r noch hinausschi­eben wird.

Ob die Lebensleis­tungsrente kommen wird, ist offen. Auf der einen Seite ist es vielen Menschen nicht länger vermittelb­ar, dass sie nach lebenslang­em Arbeiten nicht mit ihrer Rente auskommen können. Auf der anderen stellt sich die Frage nach den vielschich­tigen Gründen für diese scheinbare Ungerechti­gkeit.

Die aber ist nicht von heute auf morgen reparabel. Immer noch sollte man sich vor Augen halten, dass die Rentenhöhe ein Spiegelbil­d des persönlich­en Arbeitsein­kommens während eines ganzen Berufslebe­ns ist. Niedriglöh­ne, Minijobs ohne freiwillig­e Rentenbeit­räge, Zeiten der Arbeitslos­igkeit aber auch der langjährig­en Kindererzi­ehung sind Gift für eine später ausreichen­de Altersvers­orgung, wenn sie allein auf der gesetzlich­en Rente beruhen soll.

Rentenhöhe bleibt ein Spiegelbil­d des Arbeitsein­kommens

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