Mittelschwaebische Nachrichten
Jeder will auskömmliche Renten, aber wer soll dafür bezahlen?
Leitartikel Das System muss sich der älter werdenden Gesellschaft anpassen. Vor teuren Reformen sollte die Politik allerdings ein paar Grundsatzfragen klären
Die ungelösten Probleme in der Rentenpolitik hat die Berliner Koalition drei Jahre vor sich hergeschoben. Jetzt drängt die Zeit. In den Debatten geht die notwendige Sachlichkeit verloren, je näher das Wahljahr 2017 rückt. Die zentrale Frage: Auf wessen Rücken werden wünschenswerte Reformen finanziert?
Nicht von ungefähr hat der DGB in der vergangenen Woche die große Keule geschwungen. Er warnte vor Altersarmut und sozialem Abstieg von Millionen heute noch jüngeren Menschen in den Jahren 2040 oder 2050 und verlangte die Wende bei der Rente. In Wahlkampfzeiten sind Politiker schließlich oftmals zu größeren Zugeständnissen bereit als sonst.
Ob die Regierenden in Berlin deshalb das absichtliche Absenken des Rentenniveaus umkehren werden, darf bezweifelt werden – das Grundproblem der älter werdenden Gesellschaft und der damit steigenden Rentenausgaben ist ja nicht aus der Welt. Eher besteht die Gefahr neuer populistischer Wahlversprechen für einzelne Zielgruppen, wie jüngst aus der CSU, die Eltern während der Kindererziehung beim Rentenbeitrag entlasten will. Die Mütterrente aus dem letzten Wahlkampf lässt grüßen.
Die Regierung müht sich ohnehin noch mit den „Altlasten“aus dem Koalitionsvertrag. Mit der etwas komplizierten Flexi-Rente und mit der teueren solidarischen Lebensleistungsrente. Außerdem steht immer noch die Anpassung der Ostrenten an das Westniveau auf dem Programm, wofür allein in den Jahren 2018 bis 2020 insgesamt 7,5 Milliarden Euro gebraucht werden. Längst ist der Streit darüber entbrannt, wer alles bezahlen soll: Die Steuerzahler insgesamt, wogegen sich Finanzminister Schäuble wehrt, oder ausschließlich die Beitragszahler, womit beispielsweise Beamte und Selbstständige außen vor blieben. Es ist eine Grundsatzfrage, die schon bei der Mütterrente fälschlicherweise zulasten der Beitragszahler entschieden wurde.
Die Flexi-Rente, wenn sie nicht mit allzu viel bürokratischen Finessen ausgestattet wird, lässt sich vermutlich schnell umsetzen, weil sie relativ aufkommensneutral und eher dazu geeignet ist, weitere Beitragseinnahmen für die Rentenversicherung zu generieren. Schon heute liegt der Gesetzentwurf des Bundestags auf dem Tisch des Bundeskabinetts. Grundsätzlich betrachtet geht es um erweiterte Möglichkeiten eines Ausgleitens aus dem Arbeitsleben, um ein Anpassen an die besonderen Fähigkeiten und die im individuellen Fall eingeschränkten Möglichkeiten älterer Arbeitnehmer, letztendlich auch um ein Aufstocken manch zu mager ausfallender Rente. Der abrupte Übergang ins Rentnerdasein mit den starren, teils abschreckenden Zuverdienstregeln soll aufgeweicht werden. Es ist auch eine Antwort auf das Älterwerden der Menschen und ein Fingerzeig für die Zukunft, in der sich das Rentenalter noch hinausschieben wird.
Ob die Lebensleistungsrente kommen wird, ist offen. Auf der einen Seite ist es vielen Menschen nicht länger vermittelbar, dass sie nach lebenslangem Arbeiten nicht mit ihrer Rente auskommen können. Auf der anderen stellt sich die Frage nach den vielschichtigen Gründen für diese scheinbare Ungerechtigkeit.
Die aber ist nicht von heute auf morgen reparabel. Immer noch sollte man sich vor Augen halten, dass die Rentenhöhe ein Spiegelbild des persönlichen Arbeitseinkommens während eines ganzen Berufslebens ist. Niedriglöhne, Minijobs ohne freiwillige Rentenbeiträge, Zeiten der Arbeitslosigkeit aber auch der langjährigen Kindererziehung sind Gift für eine später ausreichende Altersversorgung, wenn sie allein auf der gesetzlichen Rente beruhen soll.
Rentenhöhe bleibt ein Spiegelbild des Arbeitseinkommens