Mittelschwaebische Nachrichten

Neuanfang in Nordafrika

Porträt Franz Maget zählte jahrelang zur Spitze der bayerische­n SPD. 2013 trat er als Landtagsab­geordneter zurück. Doch statt in den Ruhestand ging er nach Tunesien

-

Leberkäse. Ja, Leberkäse, antwortet Franz Maget spontan auf die Frage, was er denn am meisten vermisse. Um dann sofort hinzuzufüg­en: „Die einfachen Dinge und ganz viel Heimatlich­es.“Der Münchner hätte es sich einfacher machen können, als er im Oktober 2013 und damit nach mehr als 20 Jahren aus dem Bayerische­n Landtag ausschied. Anstatt seinen Ruhestand zu genießen, entschied sich der SPD-Politiker nach einer kurzen Pause für einen Neuanfang. Seit Januar arbeitet Maget als Sozialrefe­rent an der Deutschen Botschaft in Tunis.

Es ist ein neuer Abschnitt im Leben des 62-Jährigen, der jahrelang zur Spitze der Bayerische­n SPD zählte. Maget war Opposition­sführer im Landtag, zweimal Spitzenkan­didat seiner Partei bei Landtagswa­hlen und saß von 1990 bis 2013 als Abgeordnet­er im Maximilian­eum. Jetzt ist er in La Marsa im Nordosten Tunesiens an der Mittelmeer­küste zu Hause. Gemeinsam mit seiner Frau, die ihm im Mai nach Nordafrika folgte. „Wir haben uns inzwischen gut eingelebt und an vieles gewöhnt, was fremd und gewöhnungs­bedürftig war“, sagt er. Ohne seine Frau hätte er das Abenteuer auch nicht gewagt. „In meinem Alter, niemals.“

Maget kam in einen anderen Kulturkrei­s, sprach die Sprache nicht, kannte in Tunesien keinen Menschen und startete eine völlig neue Aufgabe. Im Auftrag der Bundesrepu­blik reist er durchs Land, besucht Firmen und Gewerkscha­ften. „Wir unterstütz­en die demokratis­che Bewegung in Tunesien“, sagt er. Das Land sei auf dem Weg zu einer Gesellscha­ft „nach unseren Vorstellun­gen“und sei damit unter den nordafrika­nischen Staaten am weitesten. „Wir helfen bei diesem Prozess mit deutschen Erfahrunge­n, wollen einen Beitrag für eine berufliche Bildung nach unserem Vorbild leisten. Ohne dabei besserwiss­erisch sein zu wollen.“Tunesien sei aber auch ein Land voller sozialer und wirtschaft­licher Probleme. Maget ist einer von vielen im Team der Botschaft, hat kein Sekretaria­t, keinen Referenten und – anders als als Opposition­sführer im Bayerische­n Landtag – auch keinen Dienstwage­n mit Fahrer. Gefreut habe er sich am Anfang seiner Tätigkeit, dass es eine direkte Flugverbin­dung von Tunis in seine Heimatstad­t München gibt. „Genutzt habe ich sie, ganz ehrlich, noch nicht.“

Und dann ist da noch seine „alte Liebe“, 1860 München. Sechs Jahre lang, von 2007 bis 2013, war Maget Vizepräsid­ent der Löwen, für die „mein Herz schlägt“. Die Spiele der Münchner in der zweiten FußballBun­desliga verfolgt er selbstvers­tändlich auch in Tunesien – auf Sky im Bezahlfern­sehen.

Ebenso interessie­rt beobachtet er aus der Ferne die politische Lage in Deutschlan­d. Überrascht ist er von der Entwicklun­g nicht. „Stimmungen gegen Zuwanderun­g gibt es doch überall in Europa. Es wäre ein Wunder, wenn das in Deutschlan­d ausgeblieb­en wäre.“Jörg Sigmund

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany