Mittelschwaebische Nachrichten
Der letzte Schritt
So schön und heil, wie manche gerne behaupten, war die alte Bundesrepublik nicht. Im Gegenteil, an Konflikten und Kontroversen herrschte kein Mangel. Und vor allem für gesellschaftliche Minderheiten war das Leben oftmals die reinste Hölle, sie wurden ausgegrenzt, schikaniert, diffamiert und sogar strafrechtlich verfolgt.
Eine besonders unrühmliche Rolle dabei spielt der berüchtigte Schwulenparagraf 175 des Strafgesetzbuches, der nach mehreren Änderungen erst im Jahre 1994 vollständig abgeschafft wurde. Rund 140000 Männer wurden nach den verschiedenen Fassungen dieses Paragrafen zum Teil zu langen Haftstrafen verurteilt. Zu Ende ist die unsägliche Geschichte des Paragrafen 175 allerdings noch immer nicht. Unverändert stehen die vollständige Rehabilitierung aller bis zum Jahre 1969 Verurteilten und die damit verbundene Entschädigung der Betroffenen aus.
Justizminister Heiko Maas ist entschlossen, den letzten noch notwendigen Schritt zu machen und eine kollektive Rehabilitierung vorzunehmen. Damit käme er den Betroffenen entgegen, die oftmals hochbetagt sind und sich nicht noch einmal einer peinlichen Einzelfallprüfung unterziehen müssen.
So ist die Geschichte des Paragrafen 175 ein Lehrstück besonderer Art. Erst im Umgang mit den Minderheiten erweist sich, wie freiheitlich, rechtsstaatlich und offen eine Gesellschaft wirklich ist.