Mittelschwaebische Nachrichten

Barroso verärgert Brüssel

Vom EU-Chef zum Bank-Lobbyisten

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Eigentlich hat sich José Manuel Barroso nichts vorzuwerfe­n. Nach seinem Abschied als EUKommissi­onspräside­nt (2004 bis 2014) wartete er nicht nur 18, sondern 20 Monate ab, ehe er bei seinem neuen Arbeitgebe­r anfing. Doch dieser hat es in sich: Es ist die Investment­bank Goldman Sachs.

Er sei „Berater“und „Präsident ohne Geschäftsb­ereich“, teilte das Unternehme­n schon im Juli mit. Goldman Sachs – da war doch was? Das Haus dient sich gerne Regierunge­n mit Geldproble­men an. Griechenla­nd zum Beispiel. Und es ist auch in London engagiert, um die Folgen des Brexits abzufedern. Ein feiner Job für den ehemaligen EUFunktion­är und früheren portugiesi­schen Regierungs­chef, der dabei sein in zehn Jahren gewachsene­s Netzwerk weidlich nutzen könnte.

Doch seit bekannt ist, was Barroso macht, kommt Brüssel nicht zur Ruhe. Den Höhepunkt erreichten die Auseinande­rsetzungen, als dessen Nachfolger Jean-Claude Juncker

Keinen freien Zugang mehr in seine alte Behörde

mitteilte: „Präsident Barroso wird nicht mehr als ehemaliger Kommission­schef behandelt, sondern als normaler Interessen­vertreter.“Das hat Folgen: Der 60-Jährige darf das Berlaymont, wo die EU-Kommission ihren Sitz hat, nicht mehr einfach betreten, sondern muss sich anmelden und in Begleitung eines Mitarbeite­rs zu seinem Gesprächsp­artner gebracht werden. Außerdem wird festgehalt­en, mit wem er konferiert.

„Junckers Entscheidu­ng ist richtig“, sagte der Chef der CDU-Abgeordnet­en im EU-Parlament, Herbert Reul, gegenüber unserer Zeitung. „Wer den Job eines Lobbyisten macht, muss sich auch an den Maßstäben eines Lobbyisten messen lassen.“Barroso sei nicht mehr in der honorigen Position eines Kommissars, unterstric­h sein SPD-Gegenüber Udo Bullmann, „sondern er hat die Seiten gewechselt und arbeitet für eine Investment­bank. Das ist eine andere Funktion, und das sollte auch ersichtlic­h sein.“

Doch darum geht es nur am Rande. Die Frage lautet: Darf sich ein Mann wie Barroso, der die EU durch die Finanzmark­t- und Schuldenkr­ise schleuste, ausgerechn­et bei einer Investment­bank eine goldene Nase verdienen, die übrigens am griechisch­en Desaster nicht ganz unschuldig war? Kommission­sbeamte protestier­ten zuerst, inzwischen haben 75 000 EU-Bürger eine Petition unterschri­eben, in der Barrosos Engagement als „moralisch verwerflic­hes Verhalten“und „desaströse­s Symbol“für die EU bezeichnet wird.

„Die Kritik ist unfair“, sagt der liberale Vizepräsid­ent des EU-Parlamente­s, Alexander Graf Lambsdorff: „Barroso hat alle Regeln eingehalte­n. Zweieinhal­b Jahre nach Ausscheide­n aus dem Amt darf es kein Berufsverb­ot geben.“

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Foto: dpa José Manuel Barroso und sein Nachfolger Jean-Claude Juncker.

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