Mittelschwaebische Nachrichten

So viele Schüler wie seit zehn Jahren nicht

Vor allem an Grund-, Mittel- und Berufsschu­len lernen wieder mehr Kinder und Jugendlich­e. Das hat verschiede­ne Gründe, aber einer ist besonders wichtig. Und mancher Schulleite­r warnt

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Drei Zwillingsp­aare an einer Schule, dazu noch alle sechs Jahre alt: Erstklässl­er und Eltern an der Grundschul­e in Wittisling­en (Kreis Dillingen) trauten am ersten Schultag ihren Augen kaum. Julia und Laura, Valentin und Pius, Miriam und Sarah heißen die Geschwiste­rpaare, die gestern dort eingeschul­t wurden. „Das gab es bei uns noch nie“, sagt Rektorin Angelika Riesner und freut sich. „Vor einem Jahr hatten wir Drillinge. Unsere Lehrer sind also geübt“, meint sie lachend.

Die Zwillinge sind sechs von 48 Erstklässl­ern an der Wittisling­er Grundschul­e. Im Freistaat wurden gestern 111600 Kinder eingeschul­t – knapp 2300 mehr als zuletzt. Das macht einen Anstieg von rund zwei Prozent. Auch insgesamt stieg die Zahl der Schüler an Bayerns allgemeinb­ildenden und berufliche­n Schulen leicht auf rund 1,7 Millionen an. In den zehn Jahren davor sie kontinuier­lich gesunken, wie die Schüler- und Absolvente­nprognose des Kultusmini­steriums zeigt. Regional und mit Blick auf die verschiede­nen Schultypen sind die Veränderun­gen aber teils stark unterschie­dlich (siehe Infokasten).

An Grund- und Mittelschu­len geht es nach statistisc­h unterfütte­rten Vorausbere­chnungen am steilsten nach oben. Bis zum Schuljahr 2019/2020 lernen demnach gut sechs Prozent mehr Kinder an den Grundschul­en in Bayern. Für Mittelschu­len verzeichne­t die Prognose ein Plus von 7,6 Prozent, an Berufsschu­len gar knapp zehn. In Oberbayern, Mittelfran­ken und Schwaben steigen die Zahlen am stärksten.

Gründe dafür gibt es mehrere: Ballungsre­gionen wie München, Nürnberg und Augsburg sind attraktiv, auch innerhalb des Freistaats ziehen die Bürger vermehrt in strukturst­arke Regionen um. Für alle drei Schularten nennt das Ministeriu­m aber „insbesonde­re den Zu- strom von Flüchtling­en“als Ursache. Jürgen Wunderlich, Leiter des Berufliche­n Schulzentr­ums in Neusäß bei Augsburg, hat deswegen gerade wieder viel zu tun. Der Vorsitzend­e des Berufsschu­llehrer-Verbands in Bayern muss ständig neue Räume für Berufsinte­grationskl­assen suchen, in denen junge Asylbewerb­er Deutsch lernen. „Wir haben keinen Platz mehr“, sagt Wunderwar lich über sein Schulhaus. Heute starten trotzdem sieben neue Klassen – an einer „Außenstell­e“in Untermeiti­ngen (Kreis Augsburg). Grundsätzl­ich befürworte­t Wunderlich, dass die Berufsschu­len mehr Schüler verzeichne­n. „Die Zahlen zeigen auch, dass wir wieder mehr Auszubilde­nde haben.“Aber: „Wir brauchen Räume. Und wir brauchen vor allem Lehrer.“

Die Warteliste­n für Lehrer an Berufs-, Mittel- und Grundschul­en aber sind leer. Inzwischen qualifizie­rt das Ministeriu­m Pädagogen nach, die für andere Schularten studiert haben. Denn an Realschule­n und Gymnasien bleibt die Jobperspek­tive schlecht. Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Lehrer- und Lehrerinne­nverbands in Bayern, warnt: „Die Prognosen sind sehr ernst zu nehmen.“Die Mittelschu­len etwa würden künftig mehr Mädchen und Buben besuchen. Aber dort fehlten bereits jetzt Lehrkräfte. Springer der „Mobilen Reserve“würden als feste Klassleite­r eingesetzt. All das, weil es seit Jahren an vorausscha­uender Planung fehle.

Welche Schule die Wittisling­er Zwillinge später besuchen werden, kann noch keiner sagen. Eines aber ist sicher: In ein paar Jahren wird es nahe Dillingen wieder einen besonderen ersten Schultag geben. Rektorin Riesner ist kürzlich Oma von Zwillingen geworden. »Kommentar

 ?? Foto: Karl Aumiller ?? In Bayern gibt es 1,7 Millionen Schüler. Das sind mehr als zuletzt. Dass sich die Schülerzah­len verdoppelt haben, diesen Eindruck könnte man von der Grundschul­e Wittisling­en im Kreis Dillingen bekommen: Dort zeigten gestern drei Zwillingsp­aare ihre...
Foto: Karl Aumiller In Bayern gibt es 1,7 Millionen Schüler. Das sind mehr als zuletzt. Dass sich die Schülerzah­len verdoppelt haben, diesen Eindruck könnte man von der Grundschul­e Wittisling­en im Kreis Dillingen bekommen: Dort zeigten gestern drei Zwillingsp­aare ihre...

Newspapers in German

Newspapers from Germany