Mittelschwaebische Nachrichten
Wer wird die erste Deutsche im All?
Forschung Bisher war noch keine Frau aus Deutschland im Weltraum. Eine Initiative will das nun ändern und stellt einige Bewerberinnen vor. Eine von ihnen soll für zehn Tage zur ISS fliegen
Berlin Wenn ihr der Mechaniker in der Autowerkstatt mal wieder zeigen will, wie die Motorhaube aufgeht, kann Jovana Dzalto nur müde lächeln. Der Mann kann ja nicht ahnen, dass sie Maschinenbau-Ingenieurin ist und sich als Astronautin beworben hat.
Dzalto ist eine von 400 Frauen, die den Traum haben, ab 2020 für zehn Tage zur Internationalen Raumstation ISS zu fliegen – als erste deutsche, klassisch ausgebildete Astronautin. Denn bisher waren nur deutsche Männer im All – elf an der Zahl – zuletzt Alexander Gerst. Und der startet 2018 gleich noch einmal. Ist das fair?
„Der Traum allein reicht nicht“, sagt Claudia Kessler. Die Luft- und Raumfahrttechnikerin ist Personalvermittlerin in der hoch spezialisierten Weltraum-Branche. Noch viel lieber wäre die Bremerin selbst ins All geflogen. „Aber ich war immer zur falschen Zeit im falschen Alter“, bedauert sie. Mit ihrer Initiative „Die Astronautin“will Kessler nun einer anderen Frau die Chance geben. Die große Zahl geeigneter Bewerberinnen macht sie glücklich. Monatelang hat sie die Profile von Kampfpilotinnen, Ingenieurinnen oder Medizinerinnen gesichtet. Heute werden Dutzende TopKandidatinnen in Berlin präsentiert. Spätestens Ende September sollen dann die 90 Kandidatinnen feststehen, die eine Runde weiterkommen. Ab Oktober geht es für sie beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in die psychische und medizinische Testphase. Bis März 2017 soll eine Kandidatin feststehen – und die Finanzierung auch.
In Deutschland hat es einen Raumfahrt-Hype wie in den USA und der früheren Sowjetunion nie gegeben. Im Kalten Krieg war für die Weltmächte der Kampf ums All ideologisch aufgeladen. Die Frauenfrage handhabten sie unterschiedlich. Während die Russen bereits 1963 die Kosmonautin Valentina Tereschkowa in den Weltraum schossen, musste sich die erste Nasa-Astronautin Sally Ride noch 1978 die Frage gefallen lassen, ob 100 Tampons für ihren Trip ins All wohl ausreichen. Doch heute ist in den USA die Hälfte des Astronautenteams weiblich.
In Europa entscheiden nicht die einzelnen Staaten, wen sie ins All schicken. Die europäische Weltraumorganisation Esa wählt aus, wer sich eignet. Seit 20 Jahren liegt der Frauenanteil unter den Bewerbern bei 15 Prozent. Zuletzt stellte die Italienerin Samantha Cristoforetti den Rekord für Frauen mit fast 200 Tagen im Weltraum auf.
Dass sich wenige Frauen aus Deutschland regulär als Astronautin bewerben, hat für Kandidatin Jovana Dzalto auch mit festgefahrenen Gesellschaftsmodellen zu tun. Sie kam als Flüchtlingskind im Jugoslawienkrieg nach Deutschland. Schon ihre Mutter hatte Maschinenbau studiert. Doch in der neuen Heimat ging sie putzen. Dzalto arbeitet an der Technischen Universität in Kaiserslautern. Sie ist Materialwissenschaftlerin, Spezialgebiet Verbundwerkstoffe und Leichtbau. In ihrer Freizeit geht sie Segelfliegen und schraubt selbst an Flugzeugen. Auch Initiatorin Claudia Kessler hat den Traum vom Weltall noch nicht aufgegeben. „Vielleicht werden kommerzielle Reisen irgendwann erschwinglich“, sagt sie. (dpa)