Mittelschwaebische Nachrichten
Das ist aus den Paralympics geworden
Was 1960 mit einem kleinen Sportfest begann, ist zu einer gigantischen Veranstaltung geworden. Die Paralympics von Rio haben mit den Anfängen von Rom nicht mehr viel gemeinsam. Aus 400 Teilnehmern sind 4350 geworden. Vor allem Kriegsveteranen wollten damals zeigen, was trotz körperlicher Benachteiligung möglich ist. Ihnen ging es darum, Mut zu machen.
Das gilt bis heute. Inzwischen aber sind die Paralympics auch zum Schaulaufen hoch professionell trainerender Top-Athleten geworden. Das ist nicht automatisch etwas Negatives. Ganz im Gegenteil, es ist vielmehr ein Schritt zur Normalität. Warum sollte es bei den Paralympics anders zugehen als bei den Olympischen Spielen?
Das Problem ist, dass mit dieser Entwicklung all die negativen Begleiterscheinungen Einzug halten, die den olympischen Sport schon lange im Würgegriff halten. Hier wie dort muss, wer erfolgreich sein will, alles dem Sport unterordnen. Auch bei den Paralympics geht es inzwischen um viel Geld. Während das Interesse der Öffentlichkeit steigt, sinkt die Hemmschwelle, zu Dopingmitteln zu greifen. Der paralympische Sport hat längst schon seine Unschuld verloren, was nicht zuletzt der Ausschluss russischer Sportler gezeigt hat. Auf diese Form der Normalität könnte man gerne verzichten, aber sie ist offenbar unvermeidlich.
Ebenfalls unvermeidlich scheint, dass die wirtschaftliche Ausgangsposition im paralympischen Sport eine noch größere Rolle spielt als in der olympischen Version. Laut Weltgesundheitsorganisation leben eine Milliarde Menschen mit Behinderung, 80 Prozent davon in Entwicklungsländern. Im krassen Gegensatz dazu steht, dass beispielsweise Hightech-Prothesen von Leichtathleten bis zu 30 000 Euro kosten. Es gilt zwar die Regel, dass die Einzelteile für alle Athleten auf dem Markt frei erhältlich sein müssen – die Kosten bleiben. Das hat Folgen: Fast die Hälfte aller Teilnehmer kommt aus wohlhabenden Ländern. Vor allem Sportler aus Afrika und Asien können bei dem technischen Wettrüsten nicht mithalten.
Immerhin: Die Lücke wird kleiner. Das Internationale Paralympische Komitee unternimmt große Anstrengungen (zum Beispiel mit Wildcards), um möglichst vielen Nationen die Teilnahme an Paralympics zu ermöglichen. Schließen wird das die Lücke aber nicht.
Tröstlich ist, dass Geld allein auch im paralympischen Sport keine Erfolge garantiert. Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt. Bis gestern Abend hatten Schweizer Sportler in Rio eine Silbermedaille gewonnen. Das bedeutet Platz 61 im Medaillenspiegel.