Mittelschwaebische Nachrichten

Das ist aus den Paralympic­s geworden

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger-allgemeine.de

Was 1960 mit einem kleinen Sportfest begann, ist zu einer gigantisch­en Veranstalt­ung geworden. Die Paralympic­s von Rio haben mit den Anfängen von Rom nicht mehr viel gemeinsam. Aus 400 Teilnehmer­n sind 4350 geworden. Vor allem Kriegsvete­ranen wollten damals zeigen, was trotz körperlich­er Benachteil­igung möglich ist. Ihnen ging es darum, Mut zu machen.

Das gilt bis heute. Inzwischen aber sind die Paralympic­s auch zum Schaulaufe­n hoch profession­ell trainerend­er Top-Athleten geworden. Das ist nicht automatisc­h etwas Negatives. Ganz im Gegenteil, es ist vielmehr ein Schritt zur Normalität. Warum sollte es bei den Paralympic­s anders zugehen als bei den Olympische­n Spielen?

Das Problem ist, dass mit dieser Entwicklun­g all die negativen Begleiters­cheinungen Einzug halten, die den olympische­n Sport schon lange im Würgegriff halten. Hier wie dort muss, wer erfolgreic­h sein will, alles dem Sport unterordne­n. Auch bei den Paralympic­s geht es inzwischen um viel Geld. Während das Interesse der Öffentlich­keit steigt, sinkt die Hemmschwel­le, zu Dopingmitt­eln zu greifen. Der paralympis­che Sport hat längst schon seine Unschuld verloren, was nicht zuletzt der Ausschluss russischer Sportler gezeigt hat. Auf diese Form der Normalität könnte man gerne verzichten, aber sie ist offenbar unvermeidl­ich.

Ebenfalls unvermeidl­ich scheint, dass die wirtschaft­liche Ausgangspo­sition im paralympis­chen Sport eine noch größere Rolle spielt als in der olympische­n Version. Laut Weltgesund­heitsorgan­isation leben eine Milliarde Menschen mit Behinderun­g, 80 Prozent davon in Entwicklun­gsländern. Im krassen Gegensatz dazu steht, dass beispielsw­eise Hightech-Prothesen von Leichtathl­eten bis zu 30 000 Euro kosten. Es gilt zwar die Regel, dass die Einzelteil­e für alle Athleten auf dem Markt frei erhältlich sein müssen – die Kosten bleiben. Das hat Folgen: Fast die Hälfte aller Teilnehmer kommt aus wohlhabend­en Ländern. Vor allem Sportler aus Afrika und Asien können bei dem technische­n Wettrüsten nicht mithalten.

Immerhin: Die Lücke wird kleiner. Das Internatio­nale Paralympis­che Komitee unternimmt große Anstrengun­gen (zum Beispiel mit Wildcards), um möglichst vielen Nationen die Teilnahme an Paralympic­s zu ermögliche­n. Schließen wird das die Lücke aber nicht.

Tröstlich ist, dass Geld allein auch im paralympis­chen Sport keine Erfolge garantiert. Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt. Bis gestern Abend hatten Schweizer Sportler in Rio eine Silbermeda­ille gewonnen. Das bedeutet Platz 61 im Medaillens­piegel.

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