Mittelschwaebische Nachrichten

Was ist gerecht?

- VON STEFAN REINBOLD redaktion@mittelschw­aebische-nachrichte­n.de

Der Vorwurf, Politiker und Eliten entscheide­n über die Köpfe der Bürger hinweg, ist in der jüngeren Vergangenh­eit ja häufig geäußert worden. Ob bei den Wutbürgerp­rotesten gegen Stuttgart 21, der Flüchtling­spolitik ganz allgemein oder konkret im Asternweg in Krumbach. Sicher mag mancher Protest durch schnöden Egoismus befeuert sein. Der Individual­ismus pluraler Gesellscha­ften hat den Blick vielfach auf den Horizont des eigenen Tellerrand­es verengt. Jeder ist sich schließlic­h selbst der Nächste. Vor allem wenn es um den eigenen Geldbeutel geht. Das ist in gewissem Maße auch legitim.

Doch gerade deshalb muss der Vorwurf an die Politik, die Bürger nicht mitzunehme­n, ernst genommen werden. Die Stadtverwa­ltung handelt im Asternweg und andernorts, wenn es um die Umlage von Straßenaus­baubeiträg­en geht, immer nach dem Buchstaben des Gesetzes. Es geht bei dieser Debatte auch weniger um Recht oder Unrecht. Eine gefühlte Wahrheit kann auch Realität sein. Es reicht nicht, nur die Köpfe zu erreichen. Auch die Herzen müssen gewonnen werden. Es geht dabei vor allem darum, den Bürgern zu erklären, was die Politik macht, nach welchen Zwängen sie agiert. Etwa, dass die Stadt Krumbach jeden Cent, den sie ausgibt, von ihren Bürgern erhält. Als Steuern, Gebühren oder eben als Beitrag für den Ausbau von Straßen oder anderer Infrastruk­turmaßnahm­en. Sie hat keine anderen Einnahmemö­glichkeite­n. Irgendwohe­r muss das Geld aber kommen.

Die Frage, wie die Besteuerun­g der Bürger gerecht zu gestalten ist, ist dabei fast schon eine philosophi­sche. Die Stadt Immenstadt beispielsw­eise hat keine Straßenaus­baubeitrag­ssatzung. Hier trägt die Allgemeinh­eit die Kosten für jede Baumaßnahm­e. Weil die Löcher in der Haushaltsk­asse aber immer größer wurden und nun große Investitio­nen für Schulen anstehen, musste die Kommune zu einem drastische­n Mittel greifen. In einer knappen Abstimmung votierte der Stadtrat dafür, den Hebesatz für die Grundsteue­r um 65 Prozent nach oben. Die Stadt hat nun den höchsten Grundsteue­rsatz ganz Bayerns. Über die Frage, wie gerecht das ist, wird in Immenstadt derzeit heftig gestritten.

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