Mittelschwaebische Nachrichten
Freispruch dank Schwerhörigkeit
Hat ein Mann seinem Kumpel angedroht, die Wohnung zu verwüsten? Ein kurioser Fall am Günzburger Gericht
Günzburg Die Staatsanwaltschaft hat einen 50-Jährigen wegen Nötigung angeklagt. In der Verhandlung mit gewissen Anleihen beim „Königlich Bayerischen Amtsgericht“stellte sich aber heraus, dass die juristische Aufarbeitung des Deliktes in diesem Fall so ihre Tücken hat.
Die beteiligten Personen in dem Verfahren beim Günzburger Amtsgericht: ein 50-Jähriger aus der Kreisstadt und ein sechs Jahre älterer Zeuge, der im Trachten-Outfit auftrat, beide schon länger miteinander bekannt. Aber dieser augenscheinlich gut funktionierende Kontakt wurde im Juni dieses Jahres empfindlich gestört. An jenem Tag gegen 19 Uhr, so die Staatsanwalt- schaft, habe der Angeklagte bei seinem älteren Kumpel angerufen und von ihm Lebensmittel fürs Abendessen eingefordert. Als der Angerufene nicht spurte, habe der Angeklagte gedroht, die Wohnung des 56-Jährigen „zu verwüsten“und ihn zu verprügeln. Das Strafgesetzbuch wertet eine derartige Handlung unter Paragraf 240 als Nötigung, zu ahnden mit einer Geldoder einer Freiheitsstrafe.
Der Zeuge ließ sich laut Staatsanwaltschaft von diesen angekündigten Konsequenzen nicht einschüchtern. Auf Frage von Richter Daniel Theurer, ob es denn so war, sagte der Angeklagte, der zur Verhandlung ohne Verteidiger gekommen war: „Kann sein, dass ich ihn angerufen habe während meines Um- zugs.“Aber keinesfalls habe er ihn bedroht oder sonst was gesagt. Zumal er wisse, dass das vermeintliche Opfer unter Betreuung stehe.
Es könnte zwar sein, dass er mal sauer gewesen sei, aber von Anschreien per Telefon könne nicht die Rede sein: „Vielleicht hat er’s in den falschen Hals gekriegt.“Und bei den Lebensmitteln, um die es beim Anruf gegangen sei, sei lediglich eine Dose gemeint, damit er sich beim Umzug etwas hätte kochen können. Nun sollte das angeblich genötigte Opfer Licht in den Fall bringen. „Das Handy hat geklingelt“, bestätigte der 56-Jährige den Anruf. Aber dummerweise habe er das Mobiltelefon ans falsche Ohr gehalten und lediglich ein Gemurmel gehört. „Ich hör auf dem rechten Ohr sehr wenig“, entschuldigte sich der Zeuge bei Richter Theurer. Deshalb rede er auch so laut, habe ihm ein Arzt bestätigt.
Irgendwie habe wohl jemand am Telefon gewettert, „aber was die Anklage annimmt, hab ich wohl falsch interpretiert“. Wie das aktuelle Verhältnis zum Angeklagten sei, fragte der Richter. Das sei völlig in Ordnung, „wir sind wieder dicke Freunde geworden“, bekräftigte der Zeuge. Der Kumpel sei wohl nur deshalb laut geworden, weil er ihm beim Umzug nicht geholfen habe. Aber wegen eines Bandscheibenvorfalls sei das auch nicht möglich gewesen. Eigentlich stehe er beim Angeklagten schwer in der Schuld, weil der ihm öfter in wichtigen Dingen geholfen habe.
So ganz wollte Richter Theurer der freundlichen Aussage noch nicht Glauben schenken und hakte bei der Betreuerin des Mannes nach, ob es möglicherweise eine Einflussnahme gegeben habe. Davon wisse sie nichts, sagte die Frau im Gerichtssaal.
Aufgrund der Verhandlung kam die Staatsanwältin schließlich zum Schluss, dass der Nötigungsvorwurf nicht nachweisbar sei. Der Geschädigte habe wohl schlecht gehört und nur ein Wettern verstanden, daher beantragte sie einen Freispruch.
Genauso lautete dann auch die Entscheidung von Richter Daniel Theurer, der dem Angeklagten allerdings noch einen Rat mit auf den Weg gab: „Passen Sie in Zukunft auf, was Sie sagen.“