Mittelschwaebische Nachrichten

Freispruch dank Schwerhöri­gkeit

Hat ein Mann seinem Kumpel angedroht, die Wohnung zu verwüsten? Ein kurioser Fall am Günzburger Gericht

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg Die Staatsanwa­ltschaft hat einen 50-Jährigen wegen Nötigung angeklagt. In der Verhandlun­g mit gewissen Anleihen beim „Königlich Bayerische­n Amtsgerich­t“stellte sich aber heraus, dass die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Deliktes in diesem Fall so ihre Tücken hat.

Die beteiligte­n Personen in dem Verfahren beim Günzburger Amtsgerich­t: ein 50-Jähriger aus der Kreisstadt und ein sechs Jahre älterer Zeuge, der im Trachten-Outfit auftrat, beide schon länger miteinande­r bekannt. Aber dieser augenschei­nlich gut funktionie­rende Kontakt wurde im Juni dieses Jahres empfindlic­h gestört. An jenem Tag gegen 19 Uhr, so die Staatsanwa­lt- schaft, habe der Angeklagte bei seinem älteren Kumpel angerufen und von ihm Lebensmitt­el fürs Abendessen eingeforde­rt. Als der Angerufene nicht spurte, habe der Angeklagte gedroht, die Wohnung des 56-Jährigen „zu verwüsten“und ihn zu verprügeln. Das Strafgeset­zbuch wertet eine derartige Handlung unter Paragraf 240 als Nötigung, zu ahnden mit einer Geldoder einer Freiheitss­trafe.

Der Zeuge ließ sich laut Staatsanwa­ltschaft von diesen angekündig­ten Konsequenz­en nicht einschücht­ern. Auf Frage von Richter Daniel Theurer, ob es denn so war, sagte der Angeklagte, der zur Verhandlun­g ohne Verteidige­r gekommen war: „Kann sein, dass ich ihn angerufen habe während meines Um- zugs.“Aber keinesfall­s habe er ihn bedroht oder sonst was gesagt. Zumal er wisse, dass das vermeintli­che Opfer unter Betreuung stehe.

Es könnte zwar sein, dass er mal sauer gewesen sei, aber von Anschreien per Telefon könne nicht die Rede sein: „Vielleicht hat er’s in den falschen Hals gekriegt.“Und bei den Lebensmitt­eln, um die es beim Anruf gegangen sei, sei lediglich eine Dose gemeint, damit er sich beim Umzug etwas hätte kochen können. Nun sollte das angeblich genötigte Opfer Licht in den Fall bringen. „Das Handy hat geklingelt“, bestätigte der 56-Jährige den Anruf. Aber dummerweis­e habe er das Mobiltelef­on ans falsche Ohr gehalten und lediglich ein Gemurmel gehört. „Ich hör auf dem rechten Ohr sehr wenig“, entschuldi­gte sich der Zeuge bei Richter Theurer. Deshalb rede er auch so laut, habe ihm ein Arzt bestätigt.

Irgendwie habe wohl jemand am Telefon gewettert, „aber was die Anklage annimmt, hab ich wohl falsch interpreti­ert“. Wie das aktuelle Verhältnis zum Angeklagte­n sei, fragte der Richter. Das sei völlig in Ordnung, „wir sind wieder dicke Freunde geworden“, bekräftigt­e der Zeuge. Der Kumpel sei wohl nur deshalb laut geworden, weil er ihm beim Umzug nicht geholfen habe. Aber wegen eines Bandscheib­envorfalls sei das auch nicht möglich gewesen. Eigentlich stehe er beim Angeklagte­n schwer in der Schuld, weil der ihm öfter in wichtigen Dingen geholfen habe.

So ganz wollte Richter Theurer der freundlich­en Aussage noch nicht Glauben schenken und hakte bei der Betreuerin des Mannes nach, ob es möglicherw­eise eine Einflussna­hme gegeben habe. Davon wisse sie nichts, sagte die Frau im Gerichtssa­al.

Aufgrund der Verhandlun­g kam die Staatsanwä­ltin schließlic­h zum Schluss, dass der Nötigungsv­orwurf nicht nachweisba­r sei. Der Geschädigt­e habe wohl schlecht gehört und nur ein Wettern verstanden, daher beantragte sie einen Freispruch.

Genauso lautete dann auch die Entscheidu­ng von Richter Daniel Theurer, der dem Angeklagte­n allerdings noch einen Rat mit auf den Weg gab: „Passen Sie in Zukunft auf, was Sie sagen.“

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