Mittelschwaebische Nachrichten

Schadet Biosprit der Umwelt?

Agrarzusät­ze im Sprit sollten das Klima schützen. Doch E10-Benzin bleibt ein Flop bei den Verbrauche­rn – und im normalen Diesel tanken Autofahrer unbewusst hochumstri­ttenes Palmöl mit

- VON SARAH SCHIERACK

Augsburg Fast sechs Jahre nach seiner Einführung wird der Biokraftst­off E10 mehr und mehr zum Ladenhüter. Während der Marktantei­l in den ersten Jahren noch bis auf rund 15 Prozent anstieg, ging er zuletzt auf 13,6 Prozent zurück. Geplant waren einmal 90 Prozent. Das merken auch die Tankstelle­nbetreiber. „E10 dümpelt vor sich rum“, sagt ein Aral-Sprecher. „Man kann die Tatsachen nicht kleinreden.“

Benzin und Diesel müssen in Deutschlan­d zwischen fünf und zehn Prozent Biokraftst­offe aus Agrarprodu­kten beigemisch­t werden. Ziel ist, den Ausstoß von Treibhausg­asen zu verringern. ADAC-Experte Christian Laberer glaubt allerdings, dass viele Kunden noch immer wenig Vertrauen in E10 haben. Den Grund dafür sieht er in der Markteinfü­hrung im Jahr 2011, die „nachhaltig schiefgela­ufen“sei. Den Verbrauche­rn sei damals nicht ausreichen­d erklärt worden, für welche Autos der Biokraftst­off schädlich ist – und wer ihn ohne Bedenken tanken kann. „Da wurde viel Unsicherhe­it aufgebaut“, sagt der Experte. Zu Unrecht, glaubt Laberer. Mittlerwei­le könnten mehr als 90 Prozent aller Benziner mit E10 betankt werden.

Allerdings steht der Biokraftst­off auch von anderer Seite heftig in der Kritik. Umweltschü­tzer prangern schon seit Jahren an, dass für die Produktion von E10 Lebensmitt­el im Tank landen – obwohl sie eigentlich auf den Teller gehören würden. ADAC-Experte Laberer hält dagegen. Seiner Ansicht nach gehe der Hunger in der Welt auf die mangelhaft­e Verteilung von Nahrungsmi­tteln zurück – und nicht auf den Anbau von Getreide oder Zuckerrübe­n für die Spritprodu­ktion.

Kritischer sieht Laberer Diesel, dem mittlerwei­le sechs bis sieben Prozent Biokraftst­offe beigemisch­t werden, darunter auch das umstritten­e Palmöl. Eine Studie des Naturschut­zbunds Deutschlan­d (Nabu) zeigt, dass die Nachfrage nach Palmöl durch die Nutzung für Diesel extrem gestiegen ist. Demnach landet in der EU mittlerwei­le fast die Hälfte des gesamten Palmöls in den Tanks von Autos und Lkws – und das, obwohl der Biodiesel, der dem normalen Diesel beigemisch­t wird, eigentlich zu rund 73 Prozent aus Raps hergestell­t wird.

Kritik daran kommt auch von den Grünen. Steffi Lemke, naturschut­zpolitisch­e Sprecherin der Partei, betont, dass „die Argumente gegen den herkömmlic­hen Agrosprit aus Nahrungspf­lanzen mittlerwei­le erdrückend“seien. Die Klimabilan­z sei negativ und die Umweltschä­den „teilweise gravierend“. In Südostasie­n und Afrika werden dem Naturschut­zbund zufolge massiv Wälder abgeholzt und Moore zerstört, um Palmölpfla­nzen anzubauen.

Zwar dürften Palmölpfla­nzen, deren Öl in Deutschlan­d dem Diesel beigemisch­t wird, nur auf Flächen angebaut werden, die auch zuvor schon landwirtsc­haftlich genutzt wurden. Nabu-Experte Daniel Rieger erläutert, dass damit verhindert werden solle, dass Regenwald für den Anbau gerodet wird. Allerdings würden diese Vorschrift­en nicht für Palmöl gelten, das zum Beispiel in Kosmetika oder Tierfutter landet. Die Plantagenb­esitzer nutzten diese Lücke – und weichen mit diesen anderen Palmölpfla­nzen auf neue Flächen aus. Letztlich leide die Natur durch den Verdrängun­gseffekt.

Als Indonesien­s Wälder im vergangene­n Jahr brannten, führten viele Experten die Feuer auch auf die Palmölprod­uzenten zurück. Für Politikeri­n Steffi Lemke sind die brennenden Wälder „Zeugnis eines Palmölboom­s, der nicht nur der Lebensmitt­elindustri­e geschuldet ist, sondern auch vom Treibstoff­markt zusätzlich angeheizt wird“.

Der Verband der Deutschen Biokraftst­off-Industrie wehrt sich dagegen, dass den Diesel-Produzente­n die Schuld dafür gegeben wird. Verbandssp­recher Wolf-Dietrich Kindt plädiert dafür, dass alle Industriez­weige, die Palmöl verarbeite­n, zur Nachhaltig­keit verpflicht­et werden. Dann gäbe es das Problem gar nicht.

Politikeri­n Lemke hält an ihren Forderunge­n fest. Deutschlan­d brauche dringend eine Strategie, um den Verbrauch von Palmöl zu reduzieren. „Der erste überfällig­e Schritt ist, Palmöl komplett aus dem Tank zu verbannen.“»Kommentar

„Palmöl muss aus dem Tank verbannt werden.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany